Vorfreude
Selten habe ich so viel rumgeplant wegen eines Caminos. Der ursprüngliche Plan war, ich laufe von Oviedo nach Santiago und treffe dort Bernardo, um mit ihm gemeinsam gemütlich nach Finisterre weiter zu laufen, denn diese Etappe ist für einen Pilgerneuling zum ausprobieren ideal und landschaftlich äußerst reizvoll. Nun bekommt Bernardo aber keinen Urlaub, was für mich zweierlei bedeutet: zum einen habe ich eine komplette Woche mehr Zeit, kann also neben Plan A auch über Plan B oder C nachdenken, zum anderen kann ich die Länge meiner Etappen erhöhen, da ich auf niemanden Rücksicht nehmen muss. Die Rahmendaten sind: Flug am 6.10. nach Oviedo, Opernkarte in Oviedo am 7.10. und Rückflug ab Santiago am 28.10. Der Ursprungsplan ist und war, in den dazwischen liegenden drei Wochen den Camino Primitivo zu gehen, für den ich maximal zwei Wochen benötige. Folgendes sind also die Optionen:
a) Primitivo nach Santiago, dann weiter nach Muxía und Finisterre und zurück nach Santiago, alles zu Fuß
b) Primitivo nach Santiago, Abstecher mit dem Bus nach Pontevedra zu Schwiegermama, von dort aus auf dem Camino portugués nach Santiago und weiter nach Finisterre (Nachteil: Ich vermische zwei Wege, was irgendwie blöd ist. Und um den kompletten portugués zu laufen habe ich nicht genug Zeit.)
c) Primitivo nach Santiago, Abstecher nach Pontevedra hin und zurück mit dem Bus und dann weiter wie a (Nachteil: bei dieser Variante muss ich die Etappenplanung ändern, sonst habe ich nicht genug Zeit, und ggfs. auf meinen freien Tag in Lugo verzichten)
d) Von Oviedo mit dem Bus nach Santander und ab dort den Küstenweg starten bis nach Oviedo und dann weiter nach Santiago (Nachteil: ich vermische zwei Wege und kann nicht bis nach Finisterre laufen).
Nachdem ich es ziemlich schofelig finde, ganz in der Nähe von Schwiegermama zu sein und sie nicht zu besuchen, entscheide ich mich für Variante c und damit ich meine Pläne nicht mehr ändere, gebe ich ihr auch umgehend Bescheid. Nachher zu sagen, ällabätsch, ich komme doch nicht, würde ich nicht über´s Herz bringen, von den zu erwartenden häuslichen Auseinandersetzungen nach meiner Rückkehr mal ganz zu schweigen. Wenn ich vormittags in Santiago einlaufe, kann ich meine Compostela noch abholen und anschließend mit dem Bus nach Pontevedra fahren, gemütlich mit Maecita zu Abend essen, am nächsten Morgen zurück nach Santiago fahren und schaffe es vielleicht danach noch bis Negreira. Soweit die Theorie.
Bis es soweit ist, erwarten mich aber erst mal 330 km durch die bergige Landschaft Asturiens und Galiciens. Der Camino Primitivo, der älteste aller Jakobswege, gilt als der härteste und ist damit einer der am wenigsten begangenen. Meine Etappenplanung ist entsprechend vorsichtig. Wo ich während der zurückliegenden Jakobswege von Anfang an mit ambitionierten 40-km-Etappen ins Rennen gegangen bin, veranschlage ich für den Primitivo "nur" 25-30 km pro Tag. Es wird viel bergauf gehen. Wer hin und wieder joggen geht weiß, welchen Unterschied es macht, auf ebener Strecke zu laufen oder den Berg hinauf. Und wie es ist, nicht mehr zu wollen, das Gefühl zu haben, nicht mehr zu können aber trotzdem weiter zu müssen, das habe ich bereits mehrfach erfahren und mir dann jedes Mal vorgenommen, beim nächsten Mal plane ich besser.
In drei Tagen geht es los!!
6.10.2018
München - Barcelona - Oviédo
Heute geht‘s los! Aufgeregt wie ich bin, stehe ich im 5 Uhr mit Bernardo auf und verbringe die Zeit damit, den Rucksack zu packen, Geschirr zu spülen und mich ausgiebig zu duschen. Mein Flug geht um 9:55, also verlasse ich das Haus um halb 8. Sowohl die Sbahn als auch der erste Flug nach Barcelona sind verspätet. In Barcelona habe ich planmäßig 50 Minuten Zeit zum Umsteigen, weshalb ich wohlweislich darauf verzichte, meinen Rucksack aufzugeben. Die 50 Minuten reduzieren sich rapide aufgrund eines verspäteten Starts in München, Parken des Flugzeugs irgendwo auf dem Rollfeld und Unwillen oder Nichterlaubnis zum Heranrollen der Gangway. Am Ende spurte ich in Wanderschuhen mit 10-Kilo-Rucksack Terminal B entlang und schaffe es innerhalb von sensationellen 11 Minuten zum nächsten Flieger, der mich nach Oviedo bringen soll. Letzter Aufruf, die drei Mitarbeiter haben nur noch auf mich gewartet und schließen hinter mir das Gate. Gott hab ich einen Kohldampf.
Von der Flugroute her müssten wir irgendwo den Camino frances überqueren. Ich schaue gebannt aus dem Fenster. Wir fliegen relativ nah südlich an den Pyrenäen vorbei, wodurch ich mich recht gut orientieren kann. Und tatsächlich: direkt unter uns taucht Pamplona auf! Später überfliegen wir noch Bilbao und Santander, wodurch ich mir von oben schon mal einen kleinen Überblick über meinen vielleicht nächsten Jakobsweg verschaffen kann. Während dessen esse ich mein Bacon-Sandwich plus Bier und denke mir, wie laut die Spanier doch sind. Direkt hinter mir wird ein Handyspiel gespielt bei vollem nervigen Sound. Ein paar Reihen weiter hinten sitzt eine Gruppe junger Damen, schwatzt unentwegt über den Gang hinweg und bei jedem der zahlreichen Lacher klatschen sie in die Hände. Neben mir zwei unsympathische Alte, die sich Videos ihrer Enkelin anschauen, natürlich auch mit Ton auf Anschlag. Während wir langsam in eine Wolkendecke hinein fliegen, verbringe ich den Rest des Fluges mit dem Versuch, mir den Bacon aus den Zähnen zu puhlen.
In Oviedo ist es kalt, windig und regnet.
Ach ja: Montserrat Caballé ist gestorben.
Ich muss zuerst noch nachtragen, was ich gestern Abend noch gemacht habe: nicht viel. Mit einem Bärenhunger hab ich mich in die nächstbeste Kneipe gesetzt, ein Bier und ein Sandwich bestellt und mich damit abgefunden, dass es richtiges gutes Abendessen erst ab 20 Uhr gibt. Da wollte ich eigentlich schon im Bett liegen, daher entscheide ich mich anstelle von asturischen Spezialitäten für Brot von gestern gefüllt mit Hähnchenschnitzel. Danach kehre ich zurück ins Hotel und gucke mir eine dreistündige Dokumentation über Montserrat Caballé an. Irgendwann schlafe ich ein.
Stattdessen begebe ich mich auf Sightseeing, latsche von A nach B nach C und zurück nach A und irgendwann fängt es wieder an zu regnen, also suche ich mir ein überdachtes Plätzchen und bestelle mir meine asturischen Spezialitäten, für die ich gestern keine Kraft mehr hatte: Sidra, eine Art Apfelwein und Cachopo, eine Art Cordon bleu aus Lammfleisch im Eierteig. Mein Reiseführer sagt, Sidra enthalte kaum Alkohol. Hat der ´ne Ahnung! Nach dem Schmaus bin ich jedenfalls hinüber, gehe ins Hotel und mache tief schlafend 2 Stunden Siesta.
Um 19 Uhr habe ich Opernkarte. Ich mache mich besonders schick und ziehe zu meinen Bergschuhen und der Trekkinghose ein Trekkinghemd an. Mehr habe ich nicht zu bieten. In München gehe ich im Hochsommer auch teilweise in kurzer Hose in die Oper, schräge Blicke können mir also nichts anhaben. Das Publikum ist hübsch gekleidet. Ich steche definitiv hervor! Leider ist es darüber hinaus erwartungsgemäß undiszipliniert und hat, lo siento, nicht die geringste Ahnung! Ich blende alle Störgeräusche - und es sind eine Menge! - so gut es geht aus und erfreue mich der mit einer Ausnahme sehr guten Sängerriege und der wunderschönen Inszenierung. Die Premierenfeier im Anschluss ist laut Auskunft der Bediensel nur für geladene Gäste. Da ich nicht dazu gehöre und in meiner Klamotte auffalle wie ein bunter Hund, gehe ich stattdessen zurück ins Hotel. Ein bisschen Schlaf ist sicher nicht verkehrt, schließlich geht es morgen endlich los mit dem Wandern! Ich bin schon ganz aufgeregt!
Heute geht es endlich los!! Also wirklich los... Nach meinem Frühstück starte ich gegen halb 10. Ich werde einen kleinen Umweg über die zwei romanische Kirchen Santa María del Naranco und San Miguel de Lillo (beide Unesco-Weltkulturerbe) machen, und da diese erst ab 10 Uhr zur Besichtigung geöffnet sind, habe ich keine große Eile. Ich halte mich eng an die Wegbeschreibung meines Reiseführers und komme gegen halb 11 an. Vor mir wird eine Busladung Senioren ausgekippt, die sich gegenseitig auf die Füße treten und jedes gute Foto verhindern. Also mache ich erstmal eine Päuschen, setze mich in den Rasen und warte auf bessere Zeiten. Da am Ende alles gut wird, setze ich nach erfolgter Besichtigung inklusive Dokumentation meinen Camino eine halbe Stunde später fort. Es geht bergauf, bergab und außer ein paar Tagesausflüglern kreuzt niemand meinen Weg.
Ich durchziehe kleine Dörfer, die aus kaum mehr als einer Handvoll Häuser bestehen, und sehe linker Hand in der Ferne immer die Berge, die mich wohl an Tag 4 erwarten werden. Langsam bekomme ich Hunger, aber auch nach der Hälfte der Etappe, wo es sogar schon die erste Herberge gibt, hab ich immer noch nichts Essbares gefunden. Das strategisch wichtige Halbzeitrestaurant hat Urlaub vom 8.-28.10. Frechheit, ausgerechnet dann Urlaub zu machen, wenn ich doch in den Urlaub gehe! Also ziehe ich weiter auf meiner Suche nach Nahrung.
Zwei Pilgerinnen rasten am Wegesrand. Mit Bea aus Madrid und ihrem Hund Buddha gehe ich gemeinsam weiter. Ein bildhübsches Ding ist sie, gibt mir von ihrem Wasser (was ich annehme, denn meins ist fast leer) und bietet mir an, ihren Apfel aufzuessen (was ich ablehne). Nach kurzer Zeit schon trennen uns unsere Wege, denn ein Schild lockt mich 200 Meter weg vom Camino, dort soll es eine Bar geben. Es gibt eine Bar (nach gefühlten 500 Metern), allerdings hat diese montags geschlossen. Also trotte ich schwach und durstig zurück und gehe weiter. In der Ferne sehe ich Bea. Dort könnte ich jetzt auch schon sein, wenn ich mir diesen nutzlosen Umweg gespart hätte. Eine Erkenntnis erfasst mich: man kann nur ein paar hundert Meter auseinander sein und sich trotzdem den ganzen Tag lang nicht begegnen, weil man in die gleiche Richtung läuft. Ich grübele ein bisschen über die praktische Anwendbarkeit der Erkenntnis auf Probleme des täglichen Lebens nach. Mir fällt nicht viel ein, denn ich habe Hunger!
Ein Mann wünscht mir aus seinem Vorgarten heraus buen camino und fragt mich, ob ich vielleicht Wasser brauche. Das tue ich in der Tat, denn das bisschen, was ich von Bea abgezapft habe, ist auch schon wieder leer. Dankbar nehme ich diese nette Geste an. Montags haben alle Bars zu, lässt er mich wissen, auch die ein paar hundert Meter weiter unten. Ich verabschiede mich von meinem Retter in der Not sowie seinen zwei Schäferhunden und gehe weiter, an der geschlossenen Bar vorbei.
Ein Stück weiter des Wegs liegt Bea neben dem Bordstein. Sie kann nicht mehr. Es ist ja nun nicht mehr weit. Wenn ich mich jetzt dazu lege, verzögert das meine Ankunft in Grado um mindestens eine halbe Stunde, also verzichte ich auf eine Pause und laufe weiter. Soweit ist es ja auch nicht mehr. 40 Minuten müssten es sein. Ich erreiche den Ort, und was sehen meine müden Augen: eine geöffnete Bar!! Ich steuere sie direkt an, bestelle zwei Getränke und Snacks, lasse mich an einem Tisch draußen nieder und ziehe Schuhe und Socken aus. Was für eine Wohltat! Es dauert keine 10 Minuten, da kommt auch Bea vorbei und fragt, ob sie sich zu mir setzen darf. Klar! Ein holländisches Pärchen besetzt den Nachbartisch. Scheinbar gibt es doch noch andere Pilger. Nachdem wir uns gestärkt und ich meine müffelnden Latschen wieder angezogen habe, begeben wir uns auf den Endspurt. Bea muss schauen, wo sie mit Hund bleiben kann. In welcher Herberge ich denn übernachten werde. Ich gestehe ihr, eine Luxus-Bitch zu sein und Herbergen so lange zu meiden, wie das noch geht. Also verabschieden wir uns auf‘s Neue, sie geht rechts in Richtung Herberge, ich links in Richtung Altstadt in der Hoffnung, eine nette Pension zu finden. Nach wenigen Minuten checke ich in einem hübschen kleinen Hotel ein.
Nach der dringend erforderlichen Dusche und dem obligatorischen Waschen von Unterhose, Socken und Tshirt (die Hose tut es noch) telefoniere ich mit Oma und Bernardo und beschließe, mich auf die Suche nach etwas zu essen zu machen. Der nette Hoteleigentümer Antonio, dessen Tochter deutsch lernt, wie er mir erzählt, empfiehlt mir einen Laden quasi um‘s Eck. Und wen treffe ich direkt davor: Bea. Da der Laden allerdings erst ab 8 Essen serviert und sie nicht so lange warten will, wird es heute Abend nichts mit einem gemeinsamen Essen. Ich beschließe, hier zu bleiben, Sidra zu trinken und zu warten, sie zieht weiter ins nächste Lokal. Morgen treffen wir uns bestimmt wieder.
Ich habe so wunderbar geschlafen in meinem Hotel, dass ich um halb 7 von allein wach wurde. Blöd: Frühstück gibt es erst um 8. Normalerweise bin ich ja kein großer Frühstücker, aber heute habe ich echt Hunger! Check out um 9. An der Rezeption steht ein großer grüner Koffer und da das holländische Ehepaar, das ich gestern erst in der Bar und später auch noch mal beim Abendessen gesehen und mit dem ich mich beim Frühstück gut unterhalten habe, gerade daher kommt, liegt es mir auf der Zunge zu fragen, warum sie denn mit Koffer reisen und wie sie das Ding hinter sich herziehen, aber ich spare mir den schlechten Scherz.
Bei Nebel geht es kilometerlang bergauf. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist, denn einerseits sieht man zwar nichts von der Umgebung, andererseits aber auch nichts vom Berg vor uns. Ändern kann man es sowieso nicht. Ich kämpfe mich weiter nach oben und treffe auf Emilija aus Litauen, mit der ich den Rest des Vormittags gemeinsam gehen werde. Ihr Englisch ist mäßig, ihre Aussprache teilweise grauenvoll und oft habe ich das Gefühl, sie versteht nicht was ich ihr sage. Dennoch unterhalten wir uns mal mehr mal weniger munter. Ob ich Litauen kenne. Nö. Das liegt an der Ostsee, gemeinsam mit Lettland und Estland. Na so viel wusste ich, aber gewesen bin ich dort noch nie. In welcher Herberge ich war. In keiner, aber in einem Hotel. Was, wieso das denn? Waren alle Betten schon voll? Bei ihnen gab es mindestens noch eins, vielleicht auch zwei. Ich erkläre ihr, dass ich ein Einzelzimmer mit eigenem Bad den Massenunterkünften vorziehe. Sie kann das überhaupt nicht verstehen und ich verstehe nicht, wieso sie das nicht versteht. Emilija ist ein nettes, putziges Mädchen, aber in mir keimt der Gedanke, dass wir irgendwie nicht im Gleichklang schwingen.
Wir kommen an drei Argentiniern vorbei, von denen eine bereits sichtbare Knieprobleme hat. Gestern war alles noch gut, sagt sie mir. Ich empfehle ihr, bei nächster Gelegenheit eine Bandage zu kaufen, bin allerdings skeptisch ob ihres weiteren Verlaufs. Knieprobleme schon nach Tag 1, der Camino wird mit Sicherheit nicht leichter.
Wir schleichen nun bergab, ich versuche das Tempo ein bisschen anzuziehen, will aber auch nicht unhöflich sein und bin darum ganz froh, als Emilija bei der ersten Bar halt machen will. Allein ziehe ich nun weiter, überlege mir, ebenfalls im nächsten Ort ein Päuschen einzulegen, aber bei jeder Bar denke ich, da kommt bestimmt noch eine bessere, und schwups habe ich den Ort auch schon wieder verlassen. Die Etappe heute ist nicht so lang, daher halte ich zur Not auch bis Salas durch.
Während ich nun wieder allein vor mich her trotte, denke ich darüber nach, ob ich vielleicht noch gar nicht in der Stimmung bin, gemeinsam mit anderen Pilgern zu laufen. Vielleicht will ich erst mal mein eigenes Tempo finden. Vielleicht auch einfach nur meine Ruhe haben. Macht mich das zum Soziophobiker auf dem Jakobsweg? Oder lag es einfach an den Leuten von heute und gar nicht an mir?
Ich bekomme Hunger. Da ich mich im Hotel mit Proviant eindecken konnte, laufe ich heute nicht Gefahr zu verhungern. Ich überlege mir, ob ich vielleicht sogar weiter als bis nach Salas laufen soll. Am Ende bleibe ich in Salas. Mein Muskelkater ist mittlerweile hübsch ausgeprägt. Der Primitivo ist definitiv härter als die Varianten, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, was insbesondere dem ständigen Auf und Ab geschuldet ist. Unterwegs sieht man immer wieder Zettel an den Bäumen hängen mit kleinen Weisheiten darauf. So wie der hier: Fang damit an, das Nötige zu machen, mach danach das Mögliche und auf einmal entdeckst du, dass du das Unmögliche machen kannst. Wer die wohl aufhängt? Wer ist A.C.S.?
Ich komme an mehreren Herbergen vorbei. Wenn ich schon von außen durch die Fenster die Stockbetten sehe, graut es mir. Also suche ich mir wieder ein Hotel und wer steht da an der Rezeption und wartet auf Abholung: der grüne Koffer von heute morgen. Ich würde ja gern wissen, wem das Ding gehört...
Nachdem ich im Hotel ausgiebig geduscht und gechillt habe, begebe ich mich auf eine Mini-Runde durch den kleinen Ort und lande nach 5 Minuten in einer Bar, wo ich zuerst die beiden Holländer, dann Bea und Buddha, und später zwei Australier und eine Amerikanerin treffe. Die Holländer sind Opernfans, erzählen Sie mir, und müssen Sonntag zurück fliegen weil sie Opernkarten haben. Ich empfehle Ihnen mein Hotel und sie checken ein. Ebenso taten es bereits die beiden Australier, die ich zur Hälfte bereits aus dem Hotel in Grados, zur anderen Hälfte von der Hotelbar hier kenne. Am spannendsten ist Sarah aus Colorado: Mutter von 23 jährigen Zwillingen, davon einer schizophren/bipolar (sie nennt mir den klinischen Ausdruck für diese Kombi, ich merke ihn mir nicht). Vor allem aber ist sie zwei mal geschieden und hat sich gerade von ihrer Freundin (!) getrennt. Eigentlich wollten sie gemeinsam den Camino portugués gehen, dann kam die Trennung und nachdem alle Tickets bereits gebucht waren, macht ihre Ex nun den portugués, während Sarah auf dem primitivo unterwegs ist. Das nenne ich Pragmatismus.
Essen wird auch hier erst ab 20 Uhr serviert, daher sitze ich nun wieder allein rum. Den anderen wurde es irgendwann zu kalt und sie sind gegangen. Das ist der Scheiß bei diesen kurzen Etappen: du kommst nachmittags an, bist den Rest des Tages lethargisch und machst eigentlich gar nichts außer abhängen und Bier trinken und wartest dann ewig auf‘s Essen. Mein Plan für morgen: entweder ordentlich Mittag essen und abends nichts mehr, oder längere Etappen machen. Mal schauen, wofür ich mich entscheide.
Die heutige Etappe begann wieder, na klar, mit einem kilometerlangem Anstieg. Allerdings war dieser hinter Salas besonders schön, denn er erinnerte mich sehr an das Lange Tal hinter´m Kuhbrunnen in meiner thüringischen Heimatstadt Bleicherode. Unterwegs begegnete ich einem amerikanischen Hippi-Ehepaar, das für ihre 70 Jahre (mindestens!) erstaunlich gut unterwegs war und mich irgendwann abhängte. Oben angekommen, traf ich mal wieder auf Emilija. Ich glaub es ist mein Schicksal, sie immer oben zu treffen. Wir gingen wieder ein Stück gemeinsam, was willste machen, allerdings hat sie mir bereits mit ihrer ersten schnippisch gestellten Frage das Kraut ausgeschüttet: Na, wo hast du heute übernachtet? Im Ritz, hab ich ihr pampig geantwortet und sie gefragt, ob sie denn gar keine Angst vor den Bettwanzen hat, die es doch in vielen Herbergen geben soll.
Dutzende Kühe teilten sich mit uns den Weg. An einer Kreuzung saß Bea und weinte. Buddha wurde zwei mal gebissen. Zwar hat er geblutet, aber ansonsten hat er einen ganz guten Eindruck gemacht. Bea war trotzdem fix und fertig. Innerhalb kürzester Zeit kamen bestimmt 12 Pilger des Wege (man muss nur mal kurz an einer Stelle verharren, dann trifft man sie alle) und haben sich zu uns gesellt, standen aber genauso nutzlos rum wie ich. Nachdem ich Bea zwei mal gefragt habe, ob ich noch irgendwas für sie tun kann, was sie verneinte, bin ich weitergezogen. Es waren definitiv zu viele Leute da, die nicht helfen konnten.
Ein spanisches Ehepaar mit extrem kleinen Rucksäcken lief vor mir her. Wo sie denn ihr Gepäck hätten. Im Auto in Salas. Die zwei sind aus Santiago und machen öfter mal ein paar kleine Etappen, fahren mit dem Auto irgendwo hin, laufen, fahren mit dem Taxi zurück um das Auto zu holen und am nächsten Tag wandern sie weiter. Stempel sammeln sie keine, und die Compostela ist Ihnen sowieso egal. Witzige Variante, den Camino zu gehen, aber sie haben tatsächlich auf diese Weise als Häppchen serviert schon eine ganze Menge gesehen. Ich frage sie, ob sie denn nicht manchmal Lust haben, die gleiche Etappe einfach am nächsten Tag wieder zu laufen. Ich selbst hab mir das an meinem ersten Tag in der Tat überlegt. Bis zum frühen Nachmittag habe ich noch die Ausläufer von Oviédo gesehen und mir gedacht, hm, wieso fahre ich nachher eigentlich nicht mit dem Bus zurück und übernachte wieder in Oviédo? Aber getreu dem Motto der sozialistischen Einheitspartei der deutschen demokratischen Republik habe ich beschlossen: Vorwärts immer, rückwärts nimmer.
Heute mache ich sogar mal eine Kaffeepause und merke danach, dass mir das Coffein und der O-Saft enorm gut tun und Energie verleihen. Der Weg nach Tineo ist toll, ab jetzt bekommt man auch die versprochenen Aussichten. Ich überhole die beiden Australier von gestern, Marvin und Pepper, dann überholen sie wieder mich und jedesmal machen wir einen Mini-Plausch. Gegen 13:45 erreiche ich Tineo, steuere die erste Bar an und treffe dort wieder auf die beiden Auto-Taxi-Spanier. Sie laden mich auf ein Bier ein, Essen muss ich aber selber zahlen, haha. Ich verspreche, mich beim nächsten mal zu revanchieren. Vermutlich in Santiago.
Nun muss ich eine Entscheidung treffen: hier bleiben, den Nachmittag verdödeln und morgen eine kurze Etappe von nur 13 km machen, oder diese 13 km heute noch dranhängen. Wenige Kilometer hinter Campiello beginnt die Königsetappe, über Bergpässe hinweg und 25 km ohne Möglichkeit der Einkehr oder des Nachtlagers. Also hopp oder topp. Da ich heute genau die gleichen Nasen wie gestern wieder getroffen habe, diese allesamt als heutiges Etappenziel Tineo angegeben haben und es vielleicht auch mal an der Zeit sein könnte, neue Leute kennenzulernen, beschließe ich, weiter zu gehen.
Die Etappe gehört mir allein. Niemand ist mehr unterwegs. Die meisten Pilger wandern nur bis frühen Nachmittag und machen dann Siesta. Der Weg und besonders die Aussichten sind ein Traum!! Ich sehe die komplette Bergkette auf der linken und die Ausläufer und das Meer auf der rechten Seite. Ich laufe vor mich hin, 5 km bergauf bis zum höchsten Punkt des heutigen Tages und auf der anderen Seite wieder bergab, und stelle fest, dass mir heute viele Erinnerungen mit meiner Mutter durch den Kopf gehen. Wie das manchmal so kommt, so geballt...
In einem Dorf ruft ein Bauer irgendwas, und es braucht wiederholter Ansprache bis ich merke, dass er mich meint. Er spricht einen Dialekt, der mir das Leben echt schwer macht. Ob ich einen Stempel will. Hm, ist mir eigentlich egal, ich hab von heute schon zwei. Ob ich meine Credencial nicht voll kriegen möchte! Na von mir aus, dann gib mir deinen Stempel. Parallel soll ich mich in ein Buch in seinem Stall eintragen, und ich glaube, es geht hier nicht um meine Credencial, die gefüllt werden soll, sondern um sein Buch. Naja, die Geste ist nett und er erklärt mir noch genau, wo welcher Berg ist und wo ich morgen entlang komme, und dann entlässt er mich wieder an die frische Luft.
Die letzten 3 km entlang der Straße sind Mist. Vermutlich muss ich heute auch zum ersten Mal in einer Herberge schlafen, denn das Dorf hat grad mal 5 Häuser. Aber was sehe ich, ein großes Schild von Casa Herminia, ihr Hostal, das in meinem Reiseführer noch als völlig überteuerter Rohbau dargestellt wurde, ist fertig! Herminia ist heute meine Frau. Ich steuere den Laden an. Das Zimmer kostet 30 Euro, was total üblich ist für ein Einzelzimmer, ich buche auch gleich Abendessen und Frühstück dazu und bin happy, selbst in diesem Kaff nicht auf ein paar lieb gewonnene Annehmlichkeiten verzichten zu müssen. Während ich diese Zeilen hier schreibe und beim Bier auf mein Abendessen warte, kommt übrigens Herminia persönlich vorbei, um mich mit Bussi-Bussi zu begrüßen. Lorena, ihre Angestellte, hat ihr gesagt, dass - ich zitiere wörtlich - ein netter Deutscher zu Gast ist, der sehr gut Spanisch spricht. Also people, wer mal in Campiello eine Unterkunft sucht, dem sei Casa Herminia ans Herz gelegt. :-)
Beim Abendessen bleiben ich und eine blonde Frau die einzigen Pilgergäste. Die übrigen rotten sich bestimmt in ihren Herbergsküchen zusammen und kochen gemeinsam. Wem‘s Spaß macht...
In der Früh mache ich mich von Campiello aus auf den Weg zur Königsetappe. Es regnet. Ganz toll, ausgerechnet heute. Nach den ersten paar hundert Metern kommt mir die kleine Frau entgegen, die ich schon beim Frühstück gesehen habe. Sie meint, sie müsse noch Proviant kaufen und offenbart dabei das süßeste und sympathischste Lächeln, das mir bisher begegnet ist. Ob ich denn bei diesem Wetter über die Bergpässe gehen werde. Ja, das habe ich vor. Glaubst du, du schaffst das? Ich glaube, ich werde es überleben. Wir gehen in unterschiedliche Richtungen auseinander und ich finde es sehr schade, dass sich unsere Wege vermutlich nicht noch mal treffen werden.
Ein paar Kilometer weiter hält ein Taxi und aussteigt der ältere Herr, den ich schon aus meinen bisherigen Hotels kenne, der immer in Jeans wandert. Ich vermute übrigens, er ist der Eigentümer des grünen Koffers. Er hat Knieprobleme, deswegen verkürzt er die Etappe und lässt sich chauffieren. In Windeseile hab ich ihn weit hinter mir gelassen. Die kleine Bar am letzten Ort vor dem Aufstieg hat geschlossen, war irgendwie klar. Ausgerechnet jetzt, wo es wieder stärker anfängt zu regnen.
Ich mache mich an den Aufstieg. Laut Reiseführer stehen mir ab jetzt 25 km bevor ohne Bar, geschweige denn Schlafgelegenheit. Um es den nicht ganz so fitten Pilgern einfacher zu machen, gibt es auch eine Variante, die etwas entspannter verläuft, aber eine Tagesetappe länger ist, aber ich bin nicht hier, um zu faulenzen, also entscheide ich mich für die harte Tour. Es geht von nun an ständig mal mehr mal weniger steil bergauf. Zwischendurch hört der Regen auf, nur um kurze Zeit später umso stärker wieder einzusetzen. Ich erinnere mich an den Spruch, den ich gestern gelesen habe: ob das Wetter gut oder schlecht ist, bestimmst du in dir drin. Gerade ist es jedenfalls schlecht. Ich komme auf den ersten Pass in 1000 Metern Höhe und bin mittlerweile trotz Regenjacke so durchnässt, dass ich beschließe, den Poncho rauszuholen. Der ist wirklich nur für Starkregen gedacht, alles andere schafft die Jacke eigentlich gut. Schal, Handschuhe und sogar die Mütze habe ich schon rausgeholt. Das komplette Notfall-Set kommt heute zum Einsatz.
Weiter unten sehe ich einen Pilger, den einzigen auf meiner Etappe über die Berge. Ich freue mich auf ein bisschen Gesellschaft, aber als sie - ich glaube es ist die blonde Frau von gestern beim Abendessen, so genau sieht man das nicht unter der Winterausrüstung - auf meiner Höhe ist, grüßt sie nur kurz und läuft schnurstracks weiter. Na dann halt nicht.
Das Anlegen des Ponchos ist sehr unpraktisch, da er über den Rucksack geht. Wenn ich etwas aus dem Rucksack brauche, muss ich immer zuerst den Poncho ausziehen. Bei dem Wind alles andere als spaßig. Ich entwickele schnell ein System: Anziehen entgegen der Windrichtung, damit der Poncho gut über den Rucksack geweht wird, Drehung um 180 Grad und Schließen des Ponchos mit der Windrichtung. Klappt super. Zusätzlich ätzend sind sie Handschuhe, denn sie erlauben es mir nicht, Fotos zu machen. Da sie eh schon durchnässt sind, verstaue ich sie beim nächsten Umpacken im Rucksack.
Ich komme auf dem offiziell höchsten Punkt (1216 Meter) an und genieße die Aussicht knapp unterhalb der Wolken. Dort hinten, Richtung Oviédo, scheint die Sonne... Nun geht es auf dem Pass entlang in Richtung Hospitales, den Ruinen einer mittelalterlichen Herberge, die in der Tat eindrucksvoll sind. Ich grübele darüber nach, was den Aufstieg hierher am schwierigsten gemacht hat: der Wind, der Regen, die Höhenmeter oder die zahlreichen tellerminengroßen Hinterlassenschaften der hier oben weidenden Rinder.
Es geht weiter auf dem Pass entlang. Dort vorn läuft die Tante, vermutlich bin ich in 5 Minuten auch dort. Spaßeshalber schaue ich auf die Uhr und stelle fest, dass ich 20 Minuten zu diesem Punkt brauchen werde. Die Strecke ist allerdings in der Tat atemberaubend. Ich bemitleide all jene Pilger, die sich nicht für diese Variante entscheiden. Weit und breit sehe ich allerdings niemanden, außer dem bunten Punkt da vorn, den ich ja schon kenne.
Nach Erreichen der Wiedervereinigung von Variante 1 und 2 geht es nun steil auf einer Schotterpiste bergab. Der Pfad erinnert mich an den Abstieg von Kilimanscharo, der bekannt ist für die Unfallhäufigkeit. Klar, man ist kaputt vom Aufstieg und wird nachlässig, wenn es bergab geht. Ich komme an dem halbverlassenen Bergdorf Montefurado vorbei. Dort vorn laufen Leute! Gott sei dank, denn das Dorf erinnert mich an den Schauplatz von Horrorfilmen. Ein alter Mann mit einem wolfsgroßen Hund kreuzt 30 Meter vor mir den Weg. Vermutlich der letzte Einwohner hier oben. Der Hund ist gigantisch groß, bleibt aber ruhig liegen, als ich an ihm vorbei gehe. Ich erinnere mich an einen Post, den ich bei Facebook gesehen habe und der alle aufruft, Hinweise zu geben auf einen seit 3 Wochen verschollenen Pilger aus Dänemark. Würde mich nicht wundern, wenn der in einer der Ruinen hier gefangen gehalten wird. Oder dem Wolfshund als Mahl diente. Ich bin froh, Pilger in Hörweite zu haben, die auf meine Schreie reagieren könnten.
Kurz darauf hole ich die 4 spanischen Damen ein. Es ist nun wieder sommerlich warm. Wir alle kleiden uns einmal vollständig um: Fleece, Poncho, Regenjacke sowie Winterausrüstung werden verstaut und wir wandern in Tshirt und kurzer Hose weiter. Sie klären mich darüber auf, dass es in Berducedo, unserem Etappenziel, ein Hostal gibt. Sie haben schon Doppelzimmer reserviert. Ich lasse mir die Nummer geben, aber es gibt nur noch Betten in der Herberge. Naja, ich schau mir das mal aus der Nähe an.
Es geht zwei Stunden weiter mehr oder weniger eben, und gegen 18 Uhr erreiche ich endlich die Herberge/Hostal, in der es tatsächlich keine Zimmer mehr gibt. Auf der anderen Seite des Dorfes gäbe es aber noch eine Pension. Dort angekommen erklärt mir ein Mann, diese habe heute geschlossen, weil die Besitzerin nicht da ist. Aber im nächsten Ort La Mesa gibt es bestimmt welche. Na super, ich bin fix und alle und soll nun noch eine weitere Stunde wandern? Das ist mir zu heikel, daher suche ich mir einen erhöhten Punkt, wo es auch wieder Handynetz gibt, und rufe bei der besagten Herberge an. Tatsächlich sind noch Zimmer verfügbar, ich solle einfach vorbei kommen, man warte auf mich, kein Problem.
Ich stelle fest, dass mir der Komfort eines eigenen Gemachs die zusätzliche Strapaze durchaus wert ist und komme um 19 Uhr in La Mesa an. Die Herberge hat den Weg echt gelohnt und mein Dachschrägenzimmer ist geräumig und gemütlich. Die Wirtin weist mich auf die Möglichkeit der Waschmaschinennutzung hin, was ich prompt annehme. Ein anderer Pilger, Sergio aus Gijón, checkt gerade den Trockenstatus seiner Klamotte und wir beschließen kurzerhand, uns die Nutzung des Trockners zu teilen. Derweil essen wir gemütlich zu Abend.
Zwei andere Pilgerinnen leisten uns dabei Gott sei dank trotz der Nachfrage meiner Trocknerbekanntschaft keine Gesellschaft: die beiden haben beschlossen, heute mal nicht zu duschen und riechen wirklich zum Davonlaufen. Wir werden noch eingeladen, eine halbe Flasche Wein mit den beiden in der Nachbarherberge zu leeren, was Sergio annimmt, während ich mich ins Bett entschuldige. Innerhalb von 10 Minuten schlafe ich ein.
Da ich gestern weitergelaufen bin als geplant überlege ich mir, ob ich heute nicht bis nach Fonsagrada laufen möchte. Das wird zwar anstrengend, weil eine Doppeletappe, hätte aber den Vorteil, dass ich meinem Plan dann einen vollen Tag voraus wäre. Ich muss das ja nicht gleich entscheiden, sondern kann das machen, wenn ich in Grandes de Salime bin. Wenn es mir dort gefällt, bleibe ich da, wenn nicht, kalkuliere ich neu.
Ich laufe bereits im 8 Uhr los, weswegen ich erstmals den Sonnenaufgang miterlebe. Die Strecke führt mich erst wieder hoch auf einen Pass auf 1100 Meter und dann steil hinab zur Staumauer auf 200 Meter, um auf der anderen Seite wieder auf 600 Meter hoch zu gehen. Unterwegs treffe ich bei einer Kaffeepause in der Nähe der Staumauer Sergio. Ich erzähle ihm von meinem Plan. Er überlegt auch schon, aber der Wind ist heute abartig und nach Fonsagrada geht es noch mal über einen Pass auf 1100 Meter. Bei dem Wetter ist das sicherlich nicht empfehlenswert.
Beim Hinausgehen treffen wir die müffelnde Französin von gestern. Sie ist zwar echt ganz witzig, aber ihr Geruch schreckt mich immer noch ab. Außerdem steht sie aufgrund der gestrigen Weineinlage Sergio nun näher als mir, weswegen die beiden vorangehen und ich nach einigen Fotostops in größer werdendem Abstand folge. Sergio hat offenbar ein Auge auf sie geworfen, daher schätze ich, wird er sie entweder davon überzeugen können, mit ihm in Castro zu übernachten oder sich ihr anschließen, falls sie wie geplant auch weiter läuft.
Ich überlege mir, dass ich in der Tat am liebsten allein unterwegs bin derzeit. Liegt es vielleicht daran, dass ich auch immer ein Einzelzimmer habe? Sollte ich meine Komfortzone mal verlassen und ganz bewusst in einer Herberge einchecken? Naja, es wird sich schon alles finden und ich bin eigentlich ganz happy mit meiner Situation.
Als ich in Grandes de Salime ankomme, ist es kurz nach 12. Der Ort ist so toll nicht. Ich gehe mal weiter nach Castro und überlege dort. Castro hat außer einer Herberge allerdings gar nichts zu bieten, nicht mal eine Bar. Wer dort übernachtet, muss sich vorher mit Proviant für den Abend eindecken. Es ist 13:30 Uhr und ich kalkuliere mehrmals hin und her und komme jedesmal zu dem Schluss, dass ich gegen 19 Uhr in Fonsagrada ankommen müsste. Also steht mein Entschluss fest, ich laufe weiter.
Der weitere Weg ist wieder sehr windig, ansonsten aber unspektakulär. Da nachmittags nur noch ganz wenige Pilger unterwegs sind, treffe ich kaum jemanden und unterhalte mich mit niemandem. Hinter dem Pass kann man in der Ferne Fonsagrada sehen, aber bis man dort ankommt, sind es noch 14 km.
Irgendwann schleppe ich mich tatsächlich mit letzter Kraft den Berg hoch, denn Fonsagrada liegt auf einem Bergkamm, und frage den netten Mann mit Kind, der des Weges kommt, wo es denn hier eine Pension gibt. Oh, die sind heute alle voll. Ein Freund von ihm ist Taxifahrer und hat heute schon Pilger in Herbergen auswärts gefahren. Aber sein Schwager hat ein Hotel hinter Padrón, er ruft mal an, Moment. Nein, sein Schwager ist auch ausgebucht, aber in der Herberge ist noch Platz, und die ist echt toll. Er würde mir ja anbieten, dass ich bei ihm schlafen kann, er wohnt gleich ums Eck, aber das muss er natürlich erst mit seiner Frau besprechen. Er gibt mir mal seine Nummer, wenn ich gar nichts finde, soll ich ihn anrufen, dann kann ich bei Ihnen übernachten, kein Problem.
Der Weg führt mich vorbei an einer Herberge/Pension, fragen kostet ja nichts. Vor mir checken 6 laute spanische „Pilger“ mit kleinen Rollkoffern ein. Ist es also soweit, die Turigrinos sind am Start und nehmen mir meine Zimmer weg. Ich rufe über sie hinweg, ob es denn noch ein Zimmer gebe. Nein, nur noch 1 Bett in der Herberge. Welches das ist, kann ich mir vorstellen, daher gehe ich weiter. Gleich nebenan ist das Pilgerbüro. Ich hole mir meinen Stempel und frage den Mann, ob ihm was einfällt. Bei Manolo habe ich schon angerufen, der ist auch voll. Dann doch die Herberge in Padrón, aber die ist angeblich Luxus. Wenn schon Herberge, dann will ich wenigstens das haben! Der nette Mann bietet mir an, mich zur Herberge zu fahren, das merkt schon keiner, wenn er mal 15 Minuten weg ist. Da sich das aber nach Schummeln anfühlt, beschließe ich, die 3 km nun auch noch abzustrampeln. Gegen 20 Uhr komme ich endlich an.
Der Herbergsvater ist äußerst mürrisch. Bei jedem Satz meinerseits fragt er: Que? Mein Spanisch ist echt nicht schlecht und mein Akzent nicht sonderlich ausgeprägt. Also tu nicht so, als läge es an mir, dass du mich nicht verstehst! Wie geht es wohl Bewohnern der Bergdörfer im bayrischen Wald, verstehen die auch kein Hochdeutsch mit Akzent? Er zeigt mir mein Bett und verschwindet wieder. Ich muss dringend duschen, aber wo? Ich frage zwei Pilgerinnen, die sich nebenan unterhalten. Kann man hier eigentlich auch irgendwo Wäsche waschen und aufhängen? Das wissen sie auch nicht, denn der Herbergsvater war zu ihnen genauso mürrisch wie zu mir.
Die Herberge ist tatsächlich nicht schlecht. Maximal 4 Schlafplätze können durch Zuziehen eines Vorhangs abgetrennt werden, was zumindest den Anschein von ein bisschen Privatsphäre gibt. Vor den Geräuschen der angrenzenden Schläfer schützt es allerdings nicht. Ich habe 2 Doppelstockbetten zur alleinigen Nutzung und kann mich entsprechend ausbreiten. Ich wasche die Klamotten notdürftig unter der Dusche und hänge sie zum Trocknen am Bett auf.
Die Pilger sitzen schon beim Abendessen und die nette Frau mit deutschem Akzent, die mir den Weg zu den Duschen gezeigt hat, winkt mich sogleich auf den einzigen noch freien Stuhl an der Tafel. Sie kommt aus Leipzig und erzählt mir im Eiltempo alles, was der Camino mit ihr gemacht hat. Typisch Kaffeesachsen, denke ich mir. Neben mir sitzt die österreichische Version von Joey Heindle, ein junger, netter und reichlich dummer Kerl voller Fürze im Hirn und nach kurzer Zeit ziemlich unerträglich. (Er hat sich heute ein Einzelzimmer gegönnt. Das steht eigentlich mir zu!) Da an der Tafel noch koreanisch und französisch gesprochen wird, führen wir unser kleine Unterhaltung eine ganze Weile unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf deutsch fort. Peggy und Joey (ich kenne ihre richtigen Namen nicht) sind ganz aufgeregt ob ihres Daseins als Neu-Pilger. Ich komme mir vor wie ein abgeklärter Veteran, lausche ihren Stories und gebe hin und wieder eine meiner Weisheiten zum besten. Gegen 10 gehen wir alle in unsere Kojen.
Ich wache um 4:30 Uhr das erste Mal auf. Ab 6 beginnen im 15-Minuten-Takt die Wecker zu klingeln. Nur einen scheint das alles nicht zu stören: den Schnarcher in der Kajüte neben meiner. Um 7 stehe ich auf. Ich habe gestern kurz mit dem Gedanken gespielt, es heute bis nach Lugo durchzuziehen, aber dann hat mich Bernardo daran erinnert, dass ich mir doch Zeit lassen solle. Außerdem, was tue ich denn mit der Extrazeit. Ich finde, er hat vollkommen recht. Ich bin meinem Zeitplan sowieso aufgrund des Kraftaktes von gestern um einen Tag voraus und kann es mir leisten, heute eine kurze Etappe zu machen. Ein Blick in googlemaps verrät mir, dass es in Cádavo ein Hotel gibt. Ich warte ab, bis sich der letzte Pilger vom Frühstückstisch verabschiedet und rufe im Hotel an. Es gibt noch Einzelzimmer, ich reserviere auf den Namen Tostada.
Der Weg ist zwar kurz, hat es aber mächtig in sich, denn es geht zwei Mal steil bergauf über zwei Pässe. Das Kili-Mantra pole pole, langsam langsam, kommt mir in den Sinn. Ich kämpfe mich wirklich im Schneckentempo nach oben. Auf der anderen Seite ist eine Bar, in der ich die Südkorea-Fraktion meiner Herberge sowie einige weitere Leute treffe, u.a. Enrique aus Barcelona, den ich im Flieger von Barcelona getroffen und in Oviédo zu seiner Herberge begleitet habe. Ich hocke mich dazu und wir starten gemeinsam die nächste Etappe. Mit mir ist heute allerdings nicht viel los, daher lasse ich mich trotz der netten Unterhaltung mit Viktor (seinen richtigen Namen kann ich nicht aussprechen und er bietet mir Viktor als Ersatz an) aus Korea zurück fallen. Mein Knie meldet sich heute außerdem ganz massiv. Ich trotte allein weiter, über den zweiten Pass in die nächste Bar und bestelle ein Bier. Heute kann ich mir so viele Pausen bei gleichzeitigem Trödeln leisten.
Noch leicht angetrunken komme ich um halb drei im Hotel an. Ich beschließe, ordentlich Mittag zu essen und dann ein Schläfchen zu machen. Nun wird mir auch klar, wieso die Herbergspilger ab 14 Uhr nicht mehr weiter wandern: wer nachts so schlecht schläft, braucht natürlich eine Siesta! Nach meinem Mittagessen lege ich mich ins Bett und schlafe zwei Stunden. Der Rest des Tages verläuft äußerst erlebnisarm. Ich kaufe mir Ibu für mein Knie und gehe auf mein Zimmer, um Oma und Bernardo anzurufen und die letzten drei Tage in meinem Blog nachzutragen, während es draußen in Strömen regnet.
Morgen laufe ich in Lugo ein, wo bereits ein nettes 4-Sterne-Hotel darauf wartet, mich für zwei Nächte begrüßen zu dürfen.
Heute Nacht hat es ziemlich stark geregnet, deswegen packe ich Regenjacke und Poncho im Rucksack nach ganz oben. Als ich den Ort durchquere um zurück auf den Camino zu kommen, staune ich nicht schlecht: an der Bushaltestelle stehen mindestens 15 Pilger. Einen kenne ich von gestern. Er steht in kurzer Hose und Tshirt mit ner Zigarette in der Hand am Eck und grinst mich an. Was habt ihr denn vor? Ach, wir fahren mit dem Bus nach Lugo, bei dem Wetter macht das Wandern keinen Spaß. Was ich das denn für eine Einstellung? Vielleicht sieht man sich ja später, sage ich, und stapfe los, die letzten Häuser entlang hinein in den Nieselregen. Es regnet mäßig, die 8 km gehen recht gut, und ich treffe absolut niemanden. Erst bei meiner Kaffeepause in Castroverde treffe ich zwei Pilgerpaare, das eine geht gerade, als ich komme, das andere kommt, als ich gehe.
Der Weg ist aufgrund der mangelnden Aussicht und des immer wieder stärker einsetzenden Regens wenig attraktiv. Fotos mache ich so gut wie keine. Auch die Gedanken sind heute im Leerlauf. Automatisch setze ich einen Schritt vor den anderen. Die Markierungssteine zeigen nun die Entfernung nach Santiago an. Da es von Lugo aus ziemlich genau 100 km bis nach Santiago sind (wenn man die kürzere Südroute wählt, was ich nicht vorhabe), werde ich alle paar hundert Meter daran erinnert, wie viele km mir noch fehlen heute. Ich versuche, nur auf die Pfeile, nicht aber auf die Entfernungsangaben zu achten, was selten gelingt.
Der Weg ist gerade nicht mein Ziel, mein einziges Ziel heißt Lugo. Ich empfinde heute zum ersten Mal so etwas wie Camino-Müdigkeit und denke, wieso gucke ich mir in den zwei Wochen, die mir noch bleiben, nicht ein paar Städte an, anstatt nach Finisterre und zurück zu laufen? A Coruña ist immer eine Reise wert. Und mit dem Bus erreicht man auch etwas weiter entfernte Städte gut. Hm, morgen mache ich erstmal einen Tag Pause. Und wenn der Regen aufhört, sieht die Welt eh wieder ganz anders aus.
Gegen 16:30 Uhr erreiche ich Lugo. Da es in Lugo laut Wiki an Sehenswürdigkeiten nur die Kathedrale und die die Altstadt umgebende Stadtmauer gibt, hab ich morgen keinen Stress und heute erst recht nicht. Nachdem ich in meinem 4-Sterne-Hotel eingecheckt habe, gönne ich mir denn auch erstmal ein heißes Bad, bevor ich mich noch mal hinaus begebe, um zu essen. Die Kellerin meint, ich hätte einen italienischen Akzent. Das erklärt, wieso mir in Fonsagrada der Stempelmensch den italienischen Ausdruck für Stempel gesagt hat. Und auch vorher hat mir irgendwer was ins italienische übersetzt, ich weiß aber nicht mehr wo und was. Interessant, dabei erkenne selbst ich einen Italiener an seiner Aussprache. Meine ist definitiv anders, zumindest in meinen Ohren. Ich esse vorzüglich für ziemlich teures Geld, gehe ins Hotel zurück, lese noch ein bisschen Bayern-Wahl-News auf Facebook und schlafe bereits um 22 Uhr tief und fest.
Heute ist super entspannt: nach dem ausgiebigem Frühstück chille ich noch eine Runde im Hotelzimmer, bevor ich mir die Kathedrale anschaue, deren Museum heute natürlich geschlossen hat, ebenso wie die Pilger-Info, und laufe dann einmal rund um die Altstadt auf der Stadtmauer entlang. Da ich mich doch etwas zu warm angezogen habe, beschließe ich, zurück ins Hotel zu gehen und mich etwas leichter anzuziehen. Das mache ich nachher auch, vorher allerdings mache ich 3 Stunden Siesta. Gegen 17 Uhr starte ich die nächste Runde durch die Altstadt, kaufe Proviant für morgen in einem dieser geilen Süßigkeitenläden, in denen es von Marshmellows über Lakritze bis zu Schokonüssen alles gibt (schwierig nicht den ganzen Laden aufzukaufen, sage ich zur Verkäuferin; schwierig hier zu arbeiten, ohne die ganze Zeit zu naschen, sagt sie zu mir), laufe wieder ein kleines Stück über die Stadtmauer und trinke gerade in einer Bar das zweite Bier. Jetzt gehe ich dann noch was essen und dann war es das für heute. Schwierig, den Proviant für morgen nicht heute schon aufzuessen...
Ab Lugo gibt es zwei Varianten, um nach Santiago zu kommen: die südliche Route ist die bekanntere. Sie wird von vermutlich 100% der in Lugo startenden Turigrinos gelaufen, denn sie ist nahezu exakt 100 km lang, idiotensicher beschildert und infrastrukturell bestens ausgestattet. Nach ca 45 km trifft sie auf den Camino frances und wird so richtig voll. Die nördliche Variante ist ein Insider-Tipp. Sie ist kaum bekannt, gar nicht beschildert (es gibt nur sehr vereinzelt grüne Pfeile), 30 km länger als die südliche Route und wird von den allerwenigsten Pilgern gelaufen. Sie trifft zuerst auf den camino del norte, und erst 40 km vor Santiago auf den camino frances. Ich entscheide mich für die nördliche Variante, vor allem um den ganzen Trubel zu meiden.
An der Kathedrale treffe ich auf zwei alte Männer, die neben mir beim Frühstück saßen, und die Straßennamen suchen. Sie haben sich den Caminoverlauf ausgedruckt und sind nun völlig hilflos. Ich sage ihnen, sie sollen ihren Plan wegpacken und stattdessen auf die Muscheln, die Schilder und die Pfeile achten. Bereits nach der zweiten Straßenkreuzung habe ich sie abgehängt denn sie trauen dem Frieden nicht und checken lieber weiter ihren Plan. Meinetwegen.
Mein Weg teilt sich vom Mainstream und bereits einen km weiter bin ich aufgeschmissen: die Beschreibung in meinem Reiseführer stimmt irgendwie nicht mit den grünen Pfeilen überein. Wem soll ich nun trauen? Ich entschließe mich dazu, mein Buch wegzupacken und den Pfeilen hinterher zu laufen. Bis es soweit ist, vertrödele ich allerdings 20 Minuten mit hin und her laufen. Der Weg führt entlang an einem kleinen Bach, der sich mal mehr mal weniger wild durch die Landschaft schlängelt. Es ist noch recht neblig aber die Strecke ist wunderschön.
Erst nach ca. einer Stunde Weg verlasse ich dieses Paradies und marschiere bergauf. In jedem Haus scheinen mindestens 3 Hunde zu wohnen und kläffen mich an. An einer Ecke stellen sich mir vier bellende Tölen in den Weg. Ich bin entspannt und gehe ihnen entgegen, durch sie hindurch, aber das macht sie richtig wütend. Besonders ein zu klein geratener halber Schäferhund fletscht die Zähne und versucht immer wieder, mir gefährlich nah an die Fersen zu kommen. Allein meine Teleskopstöcke schützen mich vor seinen Beißversuchen. Ich gehe mittlerweile rückwärts den Berg hoch, um die kleinen Monster im Blick zu haben. Nun hat auch endlich die Besitzerin gemerkt, welches Drama sich da draußen abspielt und versucht, ihre Hunde zurück zu pfeifen, während sie mir gestikuliert, ich solle weiter gehen. Gar nicht so einfach, wenn einem 4 tollwütige Bestien auf den Fersen sind! Ich ändere meine Position nicht sondern laufe langsam weiter rückwärts nach oben, die Teleskopstöcke zur Abwehr vor mich her haltend. Irgendwann habe ich wohl ihre Privatsphäre verlassen denn sie trollen sich. Mir wird den Rest des Tages mulmig bleiben und bei allen weiteren Hunden, und es sind eine Menge, mache ich mich bereit zum Kampf.
Die grünen Pfeile führen mich nun durch einen Waldweg, der von oben bis unten zu gehangen ist mit tausenden Spinnennetzen. Ich dachte ja schon, El Acebo sei eine Spinnenhochburg aber das hier ist echt beeindruckend. Der Weg wird immer unpassierbarer und ein bisschen gruselt mich. Erst die Hunde, dann die Spinnen, und nun ein Weg, bei dem man eine Machete braucht, um ihn passierbar zu machen. Der Reiseführer sagte ja, dieser Weg ist was für Abenteurer, aber dass es gleich so abenteuerlich werden würde, das hat mir niemand gesagt. Auf meinem Weg durch das Dickicht halte ich regelmäßig den linken Arm halbausgestreckt vor dem Gesicht, um die Spinnennetze nicht ins Gesicht zu kriegen. Mir fällt eine Musik aus dem Phantom der Oper ein: Die Hand muss in Augenhöhe sein...
Einen grünen Pfeil habe ich länger nicht mehr gesehen. Ich hole mal lieber googlemaps raus und schaue nach, wo ich überhaupt bin. Okay, das sieht gut aus. Die Straße weiter müsste richtig sein. Ist es auch und gegen 13 Uhr komme ich im ganz wundervollen Santa Eulalia de Bóveda an, in der es eine uralte, in Europa einmalige Kultstätte gibt. Das lasse ich mir nicht entgehen. Der Ort hat zwar nur 5 Häuser, aber in einem davon ist tatsächlich so was wie eine Touristeninformation und sie hat sogar geöffnet! Ich frage den netten Mann, ob man die Kirche besichtigen kann. Er weiß schon Bescheid, schnappt den Schlüssel und geht voran in die Kultstätte. Beeindruckend, und das in so einem kleinen Nest. Ich frage ihn, wie viele Leute heute schon hier waren. So 6 oder 7. Ach echt? sage ich erstaunt, denn mir ist heute noch niemand begegnet. Ach ich meine wieviele Pilger! Ich bin der erste. Dachte ich es mir. Ich werde heute übrigens weder auf meinem weiteren Weg, noch in Friol einen Pilger zu Gesicht bekommen.
Tagesstrecken-Halbzeit. Mittlerweile ist es sonnig, ich gehe eine Hochstraße hinauf und habe die allerbeste Aussicht. Dann führen mich plötzlich die grünen Pfeile wieder nach rechts rein in eine Heide. Eigentlich will ich da gar nicht lang, denn die kleine Straße ist gut zu laufen, es kommen kaum Autos vorbei und die Aussicht ist fantastisch. Letztlich gehe ich aber doch dort entlang. Irgendwo in der Pampa ist ein Gehege mit Schafen und einer kleinen Ziege. Die schafft es tatsächlich durch einen Zaunschlitz raus und steht nun neben mir und mäht mich an. Ich kann sie ja schlecht mitnehmen. Ich versuche sie zu verscheuchen, zurück zu den Schafen, laufe in die entgegen gesetzte Richtung, aber sie sprintet mir nach und ist wieder neben mir. So ein süßes, zutrauliches Ding! Ich gehe mit ihr zurück zum Tor, aus dem sie irgendwie rausgekommen ist, spreche auf sie ein, aber entweder spricht sie kein Deutsch oder sie will nicht verstehen, überzeugen, zurück zu den anderen zu gehen, lässt sie sich jedenfalls nicht. Sogar die Schafe sind schon vollzählig angetreten und verfolgen das Spektakel von der anderen Zaunseite aus. Also schnappe ich mir das Zicklein, und setze es behutsam auf der anderen Seite ab. Die Schafe erschrecken sich, laufen auseinander - Schafe sind wirklich dumme Tiere - das Zicklein läuft hinterher und ich ganz schnell weg. Das sieht das Zicklein und mäht mir herzzerreißend vom Zaun aus hinterher. Irgendwie tut es mir immer noch leid (was eigentlich?) aber ich habe meine Mission erfüllt (welche?).
Der Rest des Weges verläuft nun unspektakulär. Gegen 16:30 laufe ich in Friol ein und steuere die einzige Bleibe des Ortes an, eine Pension, die ich heute morgen schon gebucht habe, wieder auf Tostada. Das klappt gut!
Die Strecke geht genauso weiter wie am Vortag. Ich laufe durch halb vergessene galizische Dörfer, die eines Tages ersticken werden in ihrer Kuhscheiße, wenn die Häuser nicht vorher verlassen werden, vorbei an aggressiven Hunden, dem grünen Pfeil folgend, die Hand in Augenhöhe. Zur Musik von "Putón, Putón" singe ich "Pollón, Pollón" und kichere dabei immer wieder über meinen eigenen Witz. Unterwegs verliere ich meinen Schal, ärgere mich darüber, hab aber keine Lust zurück zu laufen um ihn zu suchen, sondern pilgere weiter vor mich hin. Vorwärts immer...
Nach mehreren Stunden des einsamen Laufens trifft der Camino Primitivo auf den camino del norte. Man merkt es gleich, denn plötzlich begegne ich wieder Dutzenden von Leuten. Die stille Zeit ist nun vorbei. Für heute Nachmittag ist Regen angesagt, daher will ich bis 15 Uhr in Sobrado dos Monxes sein. Das beeindruckende Kloster hat natürlich geschlossen bis 16:30 Uhr. So lange will ich nicht warten. Ich mache ein kleines Päuschen, bestelle mir ein Bier und Punkt 15:02 beginnt es zu regnen. Mit übergezogenem Poncho mache ich mich auf zur letzten Etappe für heute. Mein Ziel heißt Boimorto, wo ich mir über Booking ein Zimmer in einem kleinen Landhaus reserviert habe.
Der Besitzer erwartet mich schon. Wenn ich zu Abend essen möchte, soll ich ihm Bescheid sagen, er fährt mich dann ins ca. 1 km entfernte Restaurant. Das hat aber nur von 19 bis 21 geöffnet. Um 19:10 Uhr lasse ich mich chauffieren und eine gute Stunde später wieder abholen. Ich bin heute der einzige Gast im Landhaus. Cool, dann kann ich mir ja aussuchen, in welchem Zimmer ich schlafen will, scherze ich. Die Zimmer haben allesamt Namen von Frauen. Schon bei meiner Ankunft habe ich mit einiger Überraschung den Namen von meinem auf dem Schlüsselanhänger gelesen: Marica, Schwuchtel. Ich spreche ihn darauf an und er erklärt mir, das sei die lokale Bezeichnung für Maria. Seine Frau hätte sich die Namen ausgesucht, eine andere Bedeutung hätte das nicht, ganz ehrlich. Ich schlafe in Marica jedenfalls wie ein Baby.
Nach einem hervorragenden Frühstück, das mir Mercedes zubereitet, mache ich mich auf den Weg. Es sind ca. 15 km bis Arzúa, wo ich dann auf den Camino francés treffen werde, von dort aus weitere 40 bis Santiago. Ich schaue, wie weit ich heute komme, und suche mir dann spontan vor Ort eine Unterkunft. Doch zunächst einmal durchquere ich den lang gezogenen Ort Boimorto. Die Wegsteine geben mir alle paarhundert Meter ein Update zur Entfernung: 52 km, 50 km, 49 km, 40 km. Huch? 40? Waren es eben nicht noch 49? Ich gehe ein paar Meter zurück, denn dort hängt ein Schaubild. Tatsächlich: es gibt zwei Varianten: eine über Arzúa und eine querfeldein. Die zweite ist ganze 8 km kürzer. Na das ist ja ein Ding! Wenn ich den Camino francés dadurch noch ein bisschen meiden kann, dann nehme ich das. Entlang der Landstraße geht es vorwiegend bergauf und was soll ich euch sagen: ich bin wieder allein unterwegs. Nach 3 Stunden komme ich an einem Privathaus vorbei, das angeblich Kaffee und Kuchen serviert. Eine Pause ist jetzt nicht verkehrt und wer weiß, wann sich wieder Gelegenheit dazu bietet. Also verschaffe ich mir Einlass durch die Balkontür, mache mich bemerkbar und schon kommt der Bewohner und nimmt meine Bestellung entgegen. Ob es bis Santiago wirklich nur noch 30 km sind, frage ich ihn. Jaja, links und dann immer gerade aus. Ich buche ein Hotelzimmer in Santiago. Das sollte mir Ansporn genug sein, diese Etappe heute zu bewältigen.
Weiter geht’s zuerst wieder durch Wälder und Wiesen und später kilometerweit bergauf entlang einer viel befahrenen Fernstraße. Schön ist diese Strecke wahrlich nicht. Ich sehe aus der Ferne schon den Flughafen und gegen 3 beschließe ich, ein Bierpäuschen einzulegen. Meine Kalkulation ist, gegen 19 Uhr in Santiago zu sein. Dann kann ich morgen in aller Ruhe die Compostela abholen und dann nach Pontevedra weiter fahren. Ich habe ein recht zügiges Tempo drauf heute. Die 5+ km/h halte ich permanent durch.
Irgendwann ist es soweit, mein Weg trifft auf den francés, und es erwarten mich Heerscharen von Pilgern. Zügig marschiere ich an den meisten vorbei, bis ich Marion aus Holland treffe, die seit über 3 Monaten unterwegs ist und genau mein Tempo hat. Wir unterhalten uns ganz wunderbar und ich denke mir, wenn man viele Leute kennen lernen will, sollte man den francés gehen und nicht meine einsamen Varianten. Unsere Wege trennen sich wieder, denn sie bleibt heute Nacht in einem Vorort, und ich gehe wieder allein weiter, vorbei an einer Schulklasse und vielen Kein-Rucksack-Turigrinos.
In Monte do Gozo schmerzen meine Beine gehörig und ich entscheide mich, ein letztes Bier-Päuschen einzulegen. Der Weg nach Santiago rein zieht sich ordentlich. Bevor man die Kathedrale erreicht, latscht man eine gute Stunde an Hauptstraßen entlang. Unterwegs treffe ich noch ein paar alte Bekannte wieder und wir umarmen und beglückwünschen uns: Adam aus Polen (getroffen hinter Padrón), den langhaarigen Raucher (Bushaltestelle Baleiro), zwei Koreaner. Aber irgendwann hat der Weg dann doch ein Ende. Und ich stehe an der Kathedrale
Da es mein dritter Jakobsweg ist, bin ich nicht mehr so ergriffen wie beim ersten Mal. Ich sitze keine halbe Stunde andächtig davor und kann es nicht fassen, angekommen zu sein. Ich mache ein paar Fotos, ruhe mich ein paar Minuten aus und überlege, dass ich vielleicht gute Chancen habe, meine Compostela heute noch zu erhalten. Und so setze ich meine Reise ein letztes Mal fort, um mich in die diesmal nicht ganz so lange Schlange einzureihen. Die Frau, die mir meine Urkunde aushändigt, ist ganz reizend, spricht sogar deutsch mit mir und beglückwünscht mich per Handschlag: du hast den Camino nun offiziell beendet.
Ich lerne ein australisches Ehepaar kennen, das mich bittet, Fotos zu machen von Ihnen. Wir unterhalten und sehr nett, dann geht jeder wieder seiner Wege. Ich suche mein Hotel, bin mir unsicher, ob ich gleich schlafen oder vorher noch etwas essen soll. Nachdem sie keinen Pizza-Lieferservice kennen entscheide ich mich, doch noch mal mein Zimmer zu verlassen. Da ich keine Lust habe auf den 5. Tag in Folge mit Merluza gehe ich zu einem Italiener, esse Spaghetti und gehe zurück ins Hotel. Angekommen und totmüde falle ich ins Bett.
Nachdem ich ausgeschlafen habe - ich bleibe bis 10 Uhr im Bett - mache ich mich auf den Weg zum Busbahnhof. Und wen treffe ich dort: die beiden Australier von gestern. Sie wollen morgen nach Porto fahren und sich schon mal erkundigen. Man trifft sich tatsächlich immer zwei mal auf dem Camino. Wir machen Fotos, drücken uns und verabreden unser nächstes Wiedersehen in Melbourne.
Mit dem Bus geht‘s nun für einen kleinen Abstecher zu Schwiegermutti nach Pontevedra. Ich lasse mich bekochen, mache Mittagsschlaf, lasse mir die Stadt zeigen und wir feiern abends gemeinsam mit ihren Freundinnen Rosi und Anna.
Mit dem 10 Uhr Bus fahre ich zurück nach Santiago. Da ich nicht damit rechne, vor 12 Uhr los zu kommen, plane ich heute bewusst eine kurze Etappe von nur 23 km. Die Strecke kenne ich schon vom letzten Mal und sie ist so schön, dass es sich lohnt, sie zum wiederholten Male zu wandern. Um dennoch ein bisschen Abwechslung rein zu bringen, gehe ich diesmal nicht nach Finisterre sondern erst nach Muxia und von dort aus weiter. Außerdem überlege ich mir, im Anschluss zurück nach Santiago zu laufen. Das entscheide ich aber dann. Alles, was jetzt noch kommt, ist sozusagen Kür.
Während ich laufe, kommt mir tatsächlich einiges bekannt vor: ich erkenne die Dörfer wieder (wenn auch nicht in allen Einzelheiten), entdecke die Stelle, an der ich letztens die verrückte Frau getroffen habe, und weiß genau, dass gleich eine Bar kommt, in der ich diesmal auch Pause mache. Immer wieder kommen längst vergessen geglaubte Erinnerungsfetzen, echte déjà-vus hoch: ich weiß plötzlich, wie der Weg gleich verlaufen wird, ohne darüber nachgedacht zu haben. Die Steigung, die mir vom letzten Mal noch gut in Erinnerung ist, treibt mir zwar den Schweiß auf die Stirn (es ist wieder sommerlich heiß), bringt mich aber nicht aus der Puste. Ich trällere beim Aufstieg munter meine Arien. Die Französin aus der Herberge in Padrón überholt mich. Ich frage sie, ob Peggy auch nach Finisterre unterwegs ist. (Ich habe mir übrigens nach dem Verfassen des damaligen Posts mit Erwähnung von Peggy überlegt, dass Peggy aussieht wie eine Katrin, daher heißt sie bestimmt Katrin.) Sie sagt mir, Katja (wow!) sei gestern schon heim geflogen. Schade, ich hätte sie gern noch mal getroffen.
Der Weg macht einfach Laune. Die Sonne scheint, die Landschaft ist toll, die Hunde sind hinter Zäunen verstaut und zerfallene Häuser sieht man sehr selten, alles ist in Schuss. Hier lässt es sich bestimmt gut leben. An der Ponte Maceira, an der ich beim letzten Mal vorbei gerauscht bin, lasse ich mir diesmal viel Zeit und gucke mir alles genau an, gehe über jeden Steg und schaue in jedes Steinhäuschen am Flussufer. Eigentlich doof, dass ich mir so wenig zugetraut habe heute, denn bereits um 16:30 Uhr komme ich in meiner Pension an. Der Ort Negreira ist nicht besonders attraktiv und auch die Runde, die ich nach dem Duschen und vor dem Abendessen noch drehe, macht ihn nicht hübscher. Ich trinke noch ein Bier, dann werde ich essen und vermutlich wieder jede Menge des gesunden Schlafes vor Mitternacht genießen können.
Bereits beim Frühstück treffe ich ein lustiges spanisches Damen-Trio, das sich mir später als Marián, Lourdes und Rosa vorstellt. Im hübschen Abschnitt direkt hinter Negreira entlang des Flüsschens legen die 3 ein ordentliches Tempo vor, bei dem ich nicht mithalten kann. Aber klar: die drei wandern auch ohne Rucksack. Als der Weg dann die Auen verlässt und bergauf zurück zur Hauptroute führt, hänge ich die Señoras allerdings ab. Stattdessen treffe ich auf Andrea aus Turin, der einige Jahre in Biel in der Schweiz gelebt hat und einen witzigen Schweizer Dialekt hat, wenn er deutsch spricht. Aus Gewohnheit unterhalten wir uns jedoch auf spanisch, bzw. in Andreas Fall in itañol. Als er merkt, dass ich sein Italienisch ganz gut verstehe, gibt er sich kaum noch Mühe und plappert munter in seiner Muttersprache weiter. Ganz offensichtlich hat Andrea ein Problem mit dem Fuß. Das geht schon 3 Tage so und wird nicht besser. Ich gebe ihm eine 10-er Palette meiner Ibu, die ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr brauche, verbunden mit der Anweisung, eine früh und eine abends zu nehmen, bis der Fuß wieder heile ist. Was weiß ich schon. Als hätte ich eine medizinische Ausbildung. Egal. Er freut sich sehr und ich freue mich, helfen zu können. Die beste Medizin ist die, die man selbst nicht braucht.
In Vilaserio statte ich meiner ehemaligen Herberge einen Besuch ab und trinke ein Bier und einen O-Saft. Offenbar erwische ich bei meiner Abreise genau den Startschuss und laufe nun ca. zwei Dutzend anderen Pilgern hinterher. Es geht durch langweilige Dörfer. Die nächsten zwei Stunden ändert sich daran nichts und es endet erst in dem Dorf mit den unfreundlichen Bewohnern, das ich noch in Erinnerung habe. Vor mir läuft eine Italienerin in Kleidung eines Montschitschis, die mir bei ihrer Pause von ihrem Schinken anbietet. Das ist das netteste, was zwischen den Käffern passiert.
Mal schauen, ob der Weg noch über die provisorische Strecke geht. Aber es ist mir eigentlich egal, denn ich beschließe, einfach den Weg vom letzten Jahr zu wiederholen. Na so was: die provisorische Route ist mittlerweile zur offiziellen Variante aufgestiegen. Nach dem ollen Dorf geht es rechts und dann bald sehr steil bergauf. Oben angekommen brauche ich unbedingt ein Päuschen. Die Französin sitzt dort und liest. Kurz nach mir kommen weitere Pilger, ein (echt hässlicher) Däne mit langen Haaren in Begleitung eines Deutschen, sowie der Spanier, der vorhin in Vilaserio ein Lied geträllert hat. (Was ist das eigentlich, dass manche Leute denken, jeder zufällig dort auch Rumsitzende möchte ihrem Gesang lauschen?) Der Französin ist das alles viel zu voll geworden und sie packt schnell zusammen und verschwindet ohne Gruß. Ich hole mein pão de queijo von mãecita raus und teile es mit den anderen. Jeder hat irgendwas dabei, was er in die Mitte stellt. Am Ende sind die Käsebrötchen von gestern alle und wir ziehen weiter.
Hinter mir, weit hinter mir, höre ich zwei Pilger englisch reden und denke mir, dass die Amis immer so laut sein müssen! Ich beschließe, sie vorbei ziehen zu lassen, um wieder meine Ruhe zu haben und bin erstaunt, als mich Andrea überholt. Sein Englisch ist, anders als sein Spanisch, echt richtig gut! Im Schlepptau hat er irgend eine Tante, der ich keine weitere Aufmerksamkeit widme. Sein Fuß ist wieder heile, sagt mir Andrea. Ich gemahne zur Vorsicht: der Schmerz ist vielleicht betäubt, das Problem aber immer noch da. (Was weiß ich schon...) Egal, ohne Schmerzen läuft er wie eine Maschine. Davon überzeuge ich mich gerade selber. Sie ziehen weiter und ich erfreue mich an der Tatsache, dass die Strecke nun wieder schön und ruhig wird.
Im nächsten Dorf ist wieder eine Bar. Bereits vor Ort sind der Däne und der Deutsche sowie Andrea und die Tussi. Heute laufen wir offenbar alle im Pulk. Na klar: Gegen 9 sind wir alle in Negreira gestartet und haben alle als Tagesziel Olveiroa. Wie sollten wir uns da nicht dauernd über den Weg laufen? Ich mache einen kleinen Stop und genehmige mir noch ein Bier. Die Tussi heißt Esme, kommt aus England und bereits nach allerkürzester Zeit stellen wir fest, dass wir den gleichen Humor haben. Sie ist eine sehr unterhaltsame Person und wir befeuern uns gegenseitig, fachsimpeln über Harry Potter und Twilight, englisches und amerikanisches Englisch und Pilger mit und solche ohne Rucksack. Ich schäme mich für meine Voreingenommenheit. Die beiden starten vor mir, aber diese nette Konversation bringt mich noch eine halbe Stunde später zum Lachen. Wenn mich wer sieht... Ich muss mich von Vorurteilen befreien! Gar nicht so einfach...
Gegen 5 komme ich in meinen Hostal an, wo ich bereit reserviert habe - diesmal auf meinen richtigen Namen. Bevor ich das Zimmer beziehe, will ich aber erstmal ein Bier. Draußen ist alles voll, also setze ich mich an einen Tisch, der nach meiner Einschätzung als nächstes frei wird. An diesem sitzt Heinz aus Innsbruck, Althippi und ohne Plan und Ziel. Nach Finisterre überlegt er sich, nach Sevilla zu wandern. Verpflichtungen zu Hause hat er keine. Hm. Als er geht, komme ich mit der Tante vom Nebentisch ins Gespräch, die vorhin schon eifrig in ihr Tagebuch gekritzelt hat. Petra aus Essen. Ich setze mich zu ihr an den Tisch, das erleichtert die Kommunikaton. Wir philosophieren über Erwartungen auf dem Camino und kommen zu dem Schluss, dass es am besten ist, ohne Erwartungen zu kommen und auf keinen Fall sollte man sich erhoffen, die Antwort auf wichtige Fragen zu finden, auch um sich nicht selbst unter Druck zu setzen: oh Gott, bis Santiago sind es nur noch 100 km und ich weiß immer noch nicht, was ich beruflich machen will!
Beim Abendessen treffe ich alle Akteure des heutigen Tages wieder und schließe Facebook-Freundschaft mit Esme (als einzige!). Mein Einzelzimmer hat geteiltes Bad mit einem anderen Zimmer. Nicht schön und mit erhöhter Anforderung von Flexibilität verbunden, aber immer noch besser, als sich den Schlafsaal und alles andere auch mit 20 Leuten zu teilen. In der Pension ist heute eine deutsche Reisegruppe zu Gast, deswegen waren keine anderen Zimmer mehr frei. Alles Senioren und alle durchweg goldig. Ich würde gern mehr über sie erfahren, wie ihr Jakobsweg organisiert ist und so, aber dazu kommt es nicht, denn die Teilnehmer der Gruppe sind hermetisch abgeschottet, essen sogar in einem eigenen Trakt. Schade.
Direkt nach dem Frühstück laufe ich meinen 3 Spanierinnen in die Arme. Wir schießen noch schnell ein gemeinsames Selfie vor Sonnenaufgang und umarmen uns dann zum Abschied. Vermutlich treffe ich die 3 nicht wieder, denn sie laufen, so wie auch Esme und die meisten anderen, nach Finisterre. Ich bin noch nicht mal aus dem Ort draußen, da fährt hupend ein Taxi an mir vorbei, aus dem die drei Damen rauswinken. Aha, cheaters! Aber wo fahren sie denn hin? Die Strecke bis Cee ist nicht so weit und wenn sie sich dorthin kutschieren lassen, um heute bis Finisterre zu kommen, verpassen sie das schönste Stück. Ich werde es nicht erfahren.
An der Bar in Logoso mache ich noch mal eine kleine Kaffee- und Klopause. Dann geht es weiter hoch zur Weggabelung: links nach Finisterre, rechts nach Muxia. Wieder überlege ich kurz, bleibe aber auch diesmal bei meinem Vorhaben und gehe rechts. Der Weg geht nun die meiste Zeit bergab oder eben und ist nicht so spektakulär wie der nach Cee. Gegen Mittag komme ich an der ersten Bar vorbei. Endlich, denn mein Bauch knurrt schon. Und wen treffe ich da: den Dänen, den Deutschen, den spanischen Sänger und die 3 unfreundlichen Italienerinnen, die bisher noch keine Erwähnung gefunden haben. Unfreundlich deshalb, weil sie einen selbst dann keines Blickes würdigen, wenn man sich mit anderen Leuten an ihrem Tisch unterhält, so wie gestern Abend. Alle haben schon mindestens das erste Bier in der Hand. Ich esse ein halbes Bocadillo, packe den Rest ein und ziehe weiter. Morgen wollen alle auch nach Finisterre. Ich bin sicher, ich werde sie dann wieder treffen (falls ich morgen schon weiter ziehe), denn die Jungs starten zwar immer früher als ich, machen aber ausgiebige Pausen, so dass ich sie gegen Mittag immer einhole.
Der Weg führt weiter bergauf und bergab. Erstaunlicherweise geht es auch immer wieder hoch, dabei will ich doch ans Meer! Ich komme an einer alten Frau vorbei, die in einem Stall angeblich selbst gemachtes Zeug verkauft. Ich bin bei sowas ganz schlimm und bringe es einfach nicht übers Herz, erstens nicht stehen zu bleiben und zweitens nichts zu kaufen. Als ich mit Bernardo am Flughafen in Neapel war, wollte er unbedingt in einen Laden, der Öle und Essig und sowas verkauft. Die Verkäuferin ließ uns allerlei probieren und aus Pflichtgefühl habe ich dann ein wirklich ausgesprochen leckeres Balsamico gekauft für 30 Euro. Ich habe halt ein weiches Krebs-Herz und so kaufe ich auch der Frau für 5 Euro ein kleines Säckchen gefüllt mir parfümierten Blüten ab, den man in den Kleiderschrank legen kann. Dabei habe ich nicht mal einen geschlossenen Kleiderschrank... Aber mir tut es nicht weh und vielleicht freut sie sich ja über das Geschäft. Außerdem schenkt sie mir noch ein Bonbon, dass Sie mir ausgewickelt überreicht. Ich stecke es schnell in den Mund, bevor ich über die hygienischen Begleitumstände nachdenken kann und ziehe weiter.
Kurz später laufe ich an einer Frau vorbei, die ich auch gestern schon überholt habe. Sie hat arge Knieprobleme, die man ihr deutlich ansieht, und kämpft sich den Berg hoch. Lisa aus Ungarn. Ich trete ihr 4 Ibus ab mit der gleichen Gebrauchsanleitung, die schon Andrea von mir bekommen hat. Eine 10er Packung gebe ich ihr lieber nicht, denn offensichtlich ist es meine Bestimmung, die Lahmen und Fußkranken unterwegs mit Medikamenten zu versorgen. Da wäre es ja blöd, wenn mir die Pillen ausgehen.
Nun geht es wieder sehr steil bergauf, auf der anderen Seite steil bergab bis fast runter ans Meer, nur um dort auf einer Landstraße wieder bergauf zurück ins Landesinnere zu führen. Das kann doch echt nicht wahr sein! Im nächsten Dorf sehe ich vor mir die 3 Italienerinnen. Sie haben bergauf unterschiedliche Tempi, Nummer 1 geht mit Stöpseln in den Ohren (typisch Italiener!) voran, gefolgt von ihrer Mutter (?), die ich in kurzer Zeit überhole. Da Nummer 1 nichts von dem, was um sie herum passiert, mitbekommt, versucht Nummer 2 von hinter mir lautstark mit ihr zu kommunizieren, auch um sie z.B. immer wieder vor heranfahrenden Autos zu warnen. Das wird mir irgendwann echt zu nervig und daher beschließe ich, eine Pause einzulegen und wieder gemütlich hintendran her zu trotten. Nur Nummer 3 bleibt weiterhin hinter mir.
Irgendwann ist denn auch Muxía in Sicht. Wieder überhole ich die Italienerinnen 1 und 2 und ziehe ins Dorf ein. Nach einem flotten Check im Hotel drehe ich eine Runde durch den Ort, hole mir meine Muxiana und laufe bis vor zur Kirche auf dem Fels. Wieder habe ich das Pech, dass ein Bus direkt vor mir seine diesmal italienischen Innereien ausschüttet, so dass ich lange auf Ruhe und Fotomöglichkeit warten muss. Derweil schlendere ich auf den wenig begangenen und etwas versteckten Weg zum Aussichtspunkt über die Stadt und genieße dort Aussicht und Stille. Ich lerne Iurko aus der Ukraine kennen, wir machen Fotos vom jeweils anderen, dann gehe ich auf dem gleichen Weg zurück zur Kirche und esse zu Abend. Ich glaube, ich habe alles gesehen, was es hier zu sehen gibt, daher werde ich entgegen meiner ursprünglichen Überlegungen hier keinen freien Tag einlegen, sondern morgen weiter ziehen. Wie Charly schon sagte: Muxía is a church on a rock. Mehr nicht.
Wie gewohnt starte ich um neun mit meiner Wanderung. Und wen treffe ich bereits auf den ersten Metern: Andrea sowie das Italienisch-argentinische Paar. Die drei wollen den camino de faro entlang laufen, ein Weg, der auch nach Finisterre geht, allerdings nicht auf dem klassischen Jakobsweg sondern entlang der Küste, vorbei an allen Leuchttürmen auf dem Weg. Wir verabschieden uns erneuert, wünschen uns buen camino und dann gehe ich weiter die breite Straße geradeaus, während die drei in Richtung Strand abbiegen. Es geht mal wieder bergauf, nicht steil aber stetig. Bereits nach einer Stunde kommen mir die allerersten Pilger entgegen. Heute ist mit viel Gegenverkehr zu rechnen, denn das Stück zwischen Muxía und Finisterre wird von beiden Richtungen aus stark frequentiert.
Gegen Mittag komme ich an der ersten Bar vorbei, wo ich erwartungsgemäß auf den Dänen und den singenden Spanier sowie die 3 Italienerinnen treffe. Ich beschließe, noch keine Pause einzulegen sondern laufe weiter. 4 Ziegen weiden am Wegrand. Offenbar halten Sie mich für den Geissenpeter, denn sie folgen mir. Bleibe ich stehen, bleiben sie auch stehen. Setze ich meinen Weg fort, kommen sie wieder hinterher. So geht das ein paar Minuten, dann verlieren sie ihr Interesse an mir und kehren wieder um. Ich scheine eine besondere Beziehung zu Ziegen zu haben. Vielleicht hätte ich das Zicklein vor Friol doch mitnehmen sollen?
Mir kommen jede Menge Pilger entgegen, allerdings kein bekanntes Gesicht. Ich checke meinen Standort und bin erstaunt, dass ich schon die Hälfte des Weges hinter mich gebracht habe. Sonderlich lange werde ich heute vermutlich nicht brauchen. Im einzigen größeren Dorf des Weges entdecke ich eine Bar auf dem Weg aber den kleinen Umweg bergauf abzuleisten, darauf habe ich keine Lust. Also gehe ich weiter und hocke mich unterwegs auf eine kleine Brücke, wo ich den Rest meines Sandwiches von gestern verspeise. Man muss sich nur mal an den Wegrand hocken und schon kommen sie vorbei: zuerst Iurko von gestern und dann die müffelnde Französin von La Mesa! Die hab ich ja lange nicht mehr gesehen. Sie hat Hunger erzählt sie mir, und auch keine Lust auf die Bar gehabt. Ich gebe ihr zwei meiner Müsliriegel als Wegzehrung. Die Dinger hab ich noch in München gekauft und bisher kaum angerührt. Bevor auch die Italienerinnen mich erreichen, setze ich meinen Weg fort. Der führt nach einer Weile erstaunlich nah ans Meer. Das wäre cool, wenn er ein Stück am Strand entlang ginge! Tut er aber nicht, sondern führt stets kurz vorher zurück, meist bergauf, in den Wald.
Gegen 2 erreiche ich eine Hippi-Bar, und weil ich noch keinen Stempel von heute habe, beschließe ich, dort kurz vorbei zu schauen. Der Ort ist wirklich extrem alternativ und sehr chillig. Vor der Tür sitzen der Deutsche und die Französin, ein paar andere Leute sowie 2 schlafende Hunde und eine schlafende Katze. Die Getränke laufen auf Spendenbasis. Ich nehme mir ein Bier und zücke einen 5-Euro-Schein. Nein, Bier ist nicht auf Spende sondern kostet 1,50 Euro. Na soll mir nur recht sein. Ich werfe 2 Euro in die Box und setze mich raus zu dem Deutschen und der Katze auf die Schaukel. Der singende Spanier kommt vorbei und reicht einen Joint rum. Darauf habe ich allerdings keine Lust, daher lehne ich dankend ab. Alle anderen ziehen, auch vom zweiten Joint, gebaut von einer Spanierin, die ich nicht kenne. Nun schauen alle schweigsam in die Ferne. An Unterhaltung ist niemand interessiert. Typisch Finisterre. Ich trinke mein Bier aus und ziehe weiter.
Ich hoffe immer noch, dass der Weg irgendwann zum Strand führt, aber das ist nicht der Fall. Daher beschließe ich kurz vor Finisterre, den Weg zu verlassen und gerade aus weiter zu laufen, denn dort ist der Weg kommend aus Cee, der am langen Strand entlang führt. Ich ziehe meine Schuhe aus und wate die letzten Meter durchs Meer. In Finisterre angekommen, laufe ich direkt zur Herberge, in der mir letztes Jahr meine Finisterreana ausgestellt wurde. Aber die gibt es hier nicht mehr, sondern jetzt im Tourismusbüro. Dann eben dahin. Meine Urkunde in der Tasche suche ich meine Pension und wen treffe ich: Sarah aus Salas. Das ist ja ein Ding! Ich freue mich total, sie nochmal wiederzusehen. Sie ist allerdings ziemlich reserviert und ich vermute, das liegt daran, dass sie nun wieder mit ihrer (Ex-?)Freundin unterwegs ist, die ich so nun auch kennen lerne. Vermutlich sind sie beiden wieder zusammen und es wäre Sarah peinlich, wenn ich mit Fragen daher komme, die Insiderwissen verraten. Wir verabschieden uns daher alsbald, ich will sie ja auch nicht in Verlegenheit bringen und treffen uns ja vielleicht heute Abend noch am Leuchtturm zum Sonnenuntergang. Dem wird allerdings nicht so sein.
Gegen 18 Uhr starte ich meinen Aufstieg zum faro. Dort angekommen ruft eine Stimme ganz laut meinen Namen. Es ist Marion aus Holland, die ich kurz vor Santiago kennengelernt habe. Wahnsinn. Dass ich die nochmal treffe. Ich bleibe am „Ende der Welt“, mache ein paar Fotos und suche mir dann einen hübschen Platz am Felsen zusammen mit Dutzenden anderen, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Der ist wirklich beeindruckend!
Esme schreibt mir. Wo bist du? In Finisterre und du? Muxía. Was?? Wieso sind wir uns denn dann heute nicht über den Weg gelaufen? Vermutlich haben wir uns verpasst, als sie in der Bar saß, zu der ich nicht gehen wollte, um stattdessen Einkehr an der Brücke zu machen. So ein Mist. Hätte ich das gewusst... In der anschließenden Dunkelheit suche ich mir meinen Weg zurück nach Finisterre, esse noch was und gehe zurück ins Hotel. Was mache ich morgen? Ich habe keine Lust, zurück nach Santiago zu wandern. Noch weniger Lust habe ich, noch einen Tag in Finisterre zu bleiben. Die Hippi-Atmosphäre ist nicht meins. Vielleicht liegt es am Alter. Vor 20 Jahren hätte ich mich dazu gesetzt, mitgeraucht und mir keine Gedanken um morgen gemacht. Heute ist das anders. Mein Kopf kann schlichtweg nicht abschalten. Das empfinde ich nicht als schlimm, ich glaube, es ist einfach der Phase meines Lebens geschuldet. Ich bin es gewohnt, zu planen und mir zu überlegen, wie sieht Plan B aus, wenn Plan A nicht funktioniert. Ich glaube, den In-den-Tag-Träumern hier mit ihren Joints bin ich genauso fern wie sie mir. In der Tourismusinfo wurde mir gesagt, es gäbe auch Direktbusse nach A Coruña. Vielleicht ist das ja ein Zeichen.
Mit dem 11-Uhr-Bus fahre ich nach A Coruña. Hier wird es mir mal wieder so gut gefallen, dass ich spontan beschieße, eine Nacht zu verlängern, und erst am Samstag zurück nach Santiago zu fahren. Ich erkunde ich Stadt, mache die bereits bekannte Runde rund um die Halbinsel, gehe in zwei Museen und lasse es mir gut gehen.
Am Strand sitzend treffe ich das italienisch-argentinische Paar wieder. Mit denen hätte ich hier ja wirklich nicht gerechnet! Sie, Solange, hat hier mal gewohnt und nun besuchen sie Freunde. Sie bestätigen meine Meinung, dass es hier schöner ist als in Santiago. Also alles richtig gemacht.
Gegen 13 Uhr treffe ich wieder in Santiago ein. Ich hätte ja nicht übel Lust auf ein neues Tattoo, weiß aber nicht genau was und wo. Die Vorlagen im Studio überzeugen mich alle nicht. Ich schlendere durch die Altstadt, gehe in die Kathedrale um den Apostel zu umarmen und mir etwas zu wünschen, gehe zurück ins Hotel und grübele über mein Tattoo nach. Als ich beschließe, einfach noch mal hinzugehen und auf Eingebung zu hoffen teilt man mir mit, für heute sind nun alle Termine voll, ich solle Montag wieder kommen. Fate has spoken. Dann eben diesmal keins.
Um 19:30 Uhr werde ich am Pilger-Gottesdienst teilnehmen, als Abschluss meines Jakobsweges. Eine Frau ein paar Reihen hinter mir kommt mir bekannt vor, aber ich komme nicht drauf. Als der Gottesdienst vorbei ist, frage ich sie, woher sie kommt. Aus Holland. Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Wieder hat sich ein Wurmloch zu meinem ersten Camino geöffnet, denn vor mir steht Mady, die ich bereits 2015 auf dem Camino francés kennengelernt habe. Das ist doch unglaublich! Wir können es beide nicht fassen. Mady wollte eigentlich erst morgen in Santiago einlaufen, aber weil sie ein hässliches Stück übersprungen hat, ist sie nun heute schon da. Wir schließen Facebook-Freundschaft und verabreden uns zum Frühstück am nächsten morgen. Man trifft sich tatsächlich immer zwei Mal auf dem Jakobsweg, manchmal auch öfter und manchmal liegen Jahre dazwischen.
Nach einem sehr netten Frühstück mit Mady setze ich mich in den Bus zum Flughafen. Heute geht es zurück nach Hause. Es ist immer irgendwie schade, wenn ein Urlaub zu Ende geht, aber die Vergänglichkeit macht ihn ja auch ein Stück weit besonders. Das Wetter ist gestern auch umgeschlagen. Es regnet und ist 12 Grad kälter als vorgestern. Auf den Bergen liegt Schnee, wie ich aus Camino-Facebook-Gruppen erfahren habe. Hab ich wieder ein Glück gehabt mit dem Wetter! Beim Bier am Flughafen schreibe ich die letzten Tage nach.
Was sind meine Erkenntnisse? Hm, diesmal ist es schwieriger das zu beantworten. Vielleicht, dass ich zum ersten Mal Jakobswegs-Müdigkeit verspürt habe. Vielleicht sollte ich den nächsten Urlaub wieder im Beach-Resort auf Gran Canaria anstatt in galizischen Wäldern verbringen? Oder einfach abwarten, bis der Jakobsweg mich wieder ruft? Vielleicht denke ich nächste Woche auch schon wieder anders darüber.
Engländerinnen scheinen immer wieder zu meinen bevorzugten Reisebekannschaften zu zählen. Das war so auf dem Kili sowie bei jedem der 3 Jakobswege. Mein Humor ist offenbar sehr kompatibel zum weiblich-britischen.
Das unglaublichste Erlebnis war auf jeden Fall das Treffen mit Mady. Ich denke, wir werden auf jeden Fall in Kontakt bleiben und haben zumindest schon mal den Plan, gemeinsam in Amsterdam in die Oper zu gehen. Das ist doch schon mal was. Wie es aussieht, sind Holländer meine Langzeit-Konstanten auf dem Jakobsweg.
Auch wenn ich mein Köpfchen nicht komplett abschalten kann, so konnte ich doch alles Berufliche ganz hervorragend ausblenden. Vielleicht sollte ich hauptberuflich Camino-Guide werden. Muss mal nachschauen, ob es sowas gibt. Falls ja, wäre es eine Überlegung wert...
So, und gleich muss ich mein Handy ausschalten. Buen vuelo para mi, buen camino a todos!
Klaus (Montag, 17 Februar 2025 13:41)
Super spannend zu lesen. Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht aber du hast das so sehr schoen ausgedrückt und beschrieben. Danke
Eine kleine Frage. Thema Hunde. Wie bist du damit umgegangen?
Cornelia Brachmann (Sonntag, 09 Februar 2025 15:39)
Lieber Torsten
Danke für diesen wunderschönen Blog .
Ich war voll dabei .
Ich werde im Mai 2026 diesen Weg München/Lindau genießen.
Ich freue mich schon riesig darauf .
Vorher gibt es noch einen 50km Marsch .
Ich wünsche dir einen wundervolle Pilgerzeit .
Herzliche Grüße aus Berlin.
Conny
Fermate (Freitag, 18 Oktober 2024 14:12)
¡Enhorabuena! Offenbar etwas durchgeweicht aber angekommen. Viel Freude an der grandiosen Stadt Cuenca!
Fermate (Mittwoch, 16 Oktober 2024 21:04)
Es gibt noch so viel großartig spanische Musik für Regen-Märsche: "Noches en los jardines de España" von de Falla.
"La oración del torero" von Turina.
Von Rodrigo auch "Fantasía para un gentilhombre" oder das "Concierto andaluz".
Wenn es etwas Älteres sein soll: Arriaga, Sinfonie D-Dur.
Granados, Danzas españolas.
Albéniz, "Recuerdos de Viaje", Suite española u.a.
Die Königin (Dienstag, 15 Oktober 2024 22:34)
Lieber Torsten, dieses Mal scheint Dein Camino ein ständiges Auf und Ab zu sein, und das nicht nur geographisch! Es sind einige wunderschöne Ort- und Landschaften dabei, und die nicht so schönen hast Du uns ja erspart.
Als ich Aranjuez gelesen habe, musste ich sofort an das Concierto denken und war etwas überrascht, dass Du es noch nicht kanntest. Ein schönes Stück Musik!!
Genieße die restlichen Tage.
Die Königin (Samstag, 05 Oktober 2024 17:18)
Buen camino mein Lieber,
bisher liest such Dein Blog sehr gut, aber Du bist ja noch keinen Meter auf dem Camino gewandert… wie ich Dich kenne, wirst Du jede Herausforderung meistern. Ganz viel Spaß und schöne Eindrücke, und nicht vergessen zu berichten, wie Dein Ausflug ins Nachtleben von Alicante war
Michael (Sonntag, 26 November 2023 11:48)
Servus und schön das ich über Dich, bzw. über Deinen Blog auf der Suche nach einer Unterkunft in Granada, gestolpert bin. Liest sich toll und einsamer als ich gedacht habe - hoffentlich sind ein paar Pfeile seit Deinem Besuch hinzugekommen, wenn schon niemand zum nach dem Weg fragen da ist. Appropos reicht mein Spanisch über die Bier-Bestellung leider nicht hinaus, daher mag ich es gerne online Unterkünfte zu buchen. Ist booking.com das Maß der Dinge oder kannst Du Alternativen empfehlen? Dein „Büchlein“ ist das gelbe von 2017? Grüße vom Ammersee, Michael
Ronny (Freitag, 22 September 2023 09:49)
Ich liebe deinen Blog und sauge die Informationen auf , für meinen nächsten Caminio …
Jürgen (Sonntag, 06 November 2022 09:40)
Mein lieber Wanderfreund, hast Du Dir inzwischen neue Wanderschuhe gegönnt? Deine sind ja weiß Gott inzwischen mehr als genutzt…
So wie bei mir die Hochsitze, scheinen wohl bei Dir das Burgen erklimmen ein Motto zu sein:-)
Weiterhin ganz viel Spaß!!! �
Jürgen (Sonntag, 30 Oktober 2022 02:48)
Mein lieber Wanderfreund,
Dein Blog liest sich wie immer so gut dass man meint, man läuft mit. Genieße den Weg!
Jürgen (Montag, 09 März 2020 18:13)
It has begun.
Dein Blog liest sich wie immer sehr gut und ist amüsant und interessant. Ich hoffe, Deinem Magen geht’s schon besser.
Die App auf insta, die den Weg beschreibt ist ja genial!! Bitte mehr Infos darüber.
Helmut (Freitag, 06 März 2020 17:10)
Na dann wünsche ich wunderschöne Wandertage!
Busserl darf ich ja nicht wegen Corona.
Jürgen (Freitag, 06 März 2020 09:25)
Buen camino!!! Wenn der Mozárabe noch einsamer ist als die Via de la Plata, wirst Du wahrscheinlich gar niemanden treffen!!! Aber dann kannst Du das wunderschöne Andalusien und die Extremadura noch besser genießen �
Helmut (Dienstag, 18 Juni 2019 20:50)
Lieber Torsten,
liebe Grüße von dem Helmut mit dem der Jürgen in Varna war. Da ich heute Zeit habe und auch a bisserl gewandert bin (am Mosel Camino), dachte ich, nun schau doch mal was der Torsten so schreibt. Und, ich sag nur PRIMA! Sehr schöne Bilder, lustig das Ganze. Ich freu mich auf Karlsruhe, Busserl und bis bald!
Jürgen (Sonntag, 19 Mai 2019 09:10)
Mein lieber Pilgerfreund, was habe ich mich über deine letzten Einträge amüsiert!!! Im Frühstücksraum meines Hotels in Varna sitzend (ich besuche gerade Jochen und Helmut) haben sich die Leute einige Male zu mir umgedreht, weil ich lauthals loslachen musste... so schön und unterhaltsam geschrieben! Und der eine oder andere Ort kam mir bekannt vor. Ein gutes Grfühl, mitreden zu können.
Genieße Deine letzten Tage.
Jürgen (Dienstag, 14 Mai 2019 19:10)
Hi Torsten, Dein Blog liest sich wunderbar und amüsant. Einige Bilder kamen mir sehr bekannt vor... wie es scheint, genießt Du die Zeit alleine auch, vor allem bevor Du Deine Zeit mit jemandem langweiligen verbringst/vergeudest :-)
Weiterhin Buen Camino!
Jürgen (Mittwoch, 31 Oktober 2018 00:07)
Lieber Torsten, danke für diesen wunderbaren Blog, den ich außerordentlich genossen habe! Einige Dinge konnte ich aus eigener Erfahrung nachvollziehen, aber es waren trotzdem viele neue Aspekte dabei. Oft habe ich Dich beneidet, weil ich gerne anstatt einem langweiligen Meeting lieber schnaufend bergauf gewandert wäre...
Ich freue mich auf unser Wiedersehen, verbunden mit einem persönlichen Bericht!!!
Jürgen (Freitag, 19 Oktober 2018 07:58)
Lieber Herr Tostada, Du scheinst ja wirklich der einzige Pilger auf diesem Weg zu sein. Meine Theorie ist, dass das kleine Zicklein dies erkannt und gemeint hat, Dir Gesellschaft leisten zu müssen, damit Du nicht so alleine bist...
Die Bilder sind wunderschön.
Torsten (Sonntag, 14 Oktober 2018 07:48)
hi Jürgen! Danke schön für deine rege Teilnahme hier! Ich nehme an, es gibt mehr als ein Padrón. Villamayors gibt es z.B. auch überall. Mein Padrón war ganz winzig klein, direkt hinter Fonsagrada. Liebe Grüße!
Jürgen (Sonntag, 14 Oktober 2018 00:09)
Deine letzten Etappen hören sich ganz schön heftig an! Aber die Bilder sind traumhaft, und deshalb scheint es sich mehr als gelohnt zu haben. Durch Padrón bin ich auch gelaufen, deshalb verstehe ich Deinen Streckenverlauf nicht ganz...
Jürgen (Mittwoch, 10 Oktober 2018 23:55)
Haha!!!! Ich kann es so nachvollziehen was Du schreibst... die Bilder sind toll, die Landschaft schaut wirklich traumhaft schön aus.
Anke Wagner (Dienstag, 09 Oktober 2018 00:06)
Hallo Torsten, das klingt doch nach einer super ersten Etappe,macht Spaß von Dir zu lesen. Weiterhin viele nette Begegnungen, unvergessliche Erfahrungen und dass sich das nordspanische Wetter von seiner besten Seite zeigt �.
Achja und wenn Du irgendwann den Camino del Norte gehst,melde Dich bitte unbedingt,da kommst Du fast an meiner Haustür vorbei.
Alles Liebe und mucho animo!!
Jürgen (Montag, 08 Oktober 2018 23:49)
Brilliant! Ich liebe es. Es kommt mir irgendwie bekannt vor. Du schreibst toll, ich musste einige Male laut loslachen.
Jürgen K. (Sonntag, 07 Oktober 2018 11:41)
Buen camino Torsten! Ich wünsche Dir wieder viele schöne Eindrücke und tolle Begegnungen. Und freue mich auf Deine Berichte.